Squealer-Rocks.de Live-Review
Helloween und Primal Fear (15.01.2006, Karlsruhe, Festhalle Durlach, Jack)

Wer diesem Package, das sich seit Anfang Januar 2006 auf großer Deutschlandtournee befindet, nicht mindestens einmal beiwohnt, ist selber schuld. Mit Helloween und Primal Fear laden die, von der Qualität der aktuellen Veröffentlichung her gesehen (KEEPER OF THE SEVEN KEYS – THE LEGACY bzw. SEVEN SEALS), besten Heavy Metal Bands zum großen Headbangertanz ein. Wer in der Festhalle Durlach zu Karlsruhe das spannende Rennen für sich entscheiden konnte, erfahrt ihr jetzt – falls es überhaupt einen eindeutigen Sieger gibt.

Punkt 20 Uhr legen Primal Fear los und wenn man bei Primal Fear „loslegen“ sagt, dann ist dies wörtlich zu nehmen. Mit den beiden Eröffnungsnummern (das knallende „Demons & Angels“ und das Judas Priest Gedächtnislied „Rollercoaster“) des Überalbums SEVEN SEALS erwischt die Band in der randvollen, engen Festhalle einen Start nach Maß. Getrieben von den kräftigen Drumschlägen des Kanadiers Randy Black heizt das Quintett dem Publikum ein und erntet verdientermaßen einen euphorischen Applaus. Sänger Ralf Scheepers übt sich als Entertainer und auch seine, mit vier bis sechs Saiten ausgerüsteten, Kollegen, Mat Sinner, Stefan Leibling und Tom Naumann, präsentieren sich in Bestform, was man auch von dem sauberen und druckvollen Sound sagen kann, und so schlagen Hits wie die leicht epischen „Seven Seals“ und „Diabolus“ (das übrigens nur für das Konzert in Karlsruhe im Set auftauchte), sowie „We Go Down“ und das abschließende Bandstatement „Metal Is Forever“ ein, wie die oft zitierte Bombe. Ein mehr als nur überzeugender 45 Minuten Auftritt einer Band, die schon lange bereit ist mehr zu leisten. Her mit der Headliner-Tour.

Im Vorfeld dieser Europatournee der Metalschwergewichte rätselte ich oft, warum sich Helloween Primal Fear als Vorband antun, da sie dabei eine harte Nuss zu knacken haben und an der sie sich anno 2006 schon mehrere Male die Zähne mit miserablem Sound ausgebissen haben. Doch beim Heimspiel von Frontmann Andi Deris sollte alles anders laufen. Die Stimmung vor und auf der Bühne: geil. Der Sound: noch geiler. Die Songauswahl und Darbietung: am geilsten. Besser geht’s nicht. Auf das episch-progressive „The King For A 1000 Years“ des dritten Teils des KEEPER OF THE SEVEN KEYS folgt ein Klassiker nach dem anderen, der allen Anwesenden von Schüler über Student und Azubi bis hin zum Bankkaufmann reichend den Atem nimmt. Ob das überragende „Keeper Of The Seven Keys“, das packende „Eagle Fly Free“ oder „A Tale That Wasn't Right“, heute passt einfach alles. Da werden selbst die etwas ausartenden Schlagzeug- und Gitarrensoli (Dani Loeble und Sascha Gerstner), bei denen ein anderes Bandmitglied (Markus Großkopf und Dani Loeble) mit Mindrum bzw. – gitarre mitmacht, wohlwollend von der Kulisse aufgenommen. Gleiches gilt für die neuen, zum Teil anspruchsvolleren Stücke der Marke „Occasion Avenue“ oder „The Invisible Man“. Einziger „Kürbiskopf“, der sich mit großen Gesten zurückhält, ist Mr. Helloween himself Michael Weikath, welcher mittlerweile die deutsche Antwort auf Lemmy Killmister darstellt, nicht nur äußerlich. Gut, wenn man einen Andi Deris in seinen Reihen hat, kann man sich auch mal etwas zurückhalten. Das nahe Ende des zweistündigen Gigs leitet die Truppe mit ihren kurzweiligsten Schlagern ein: „Mr. Torture“ und das fulminante „Future World“ beenden das reguläre Set. Doch die fünf „haben noch nicht fertig“, denn ohne die aktuelle Single „Mrs. God“ und dem wichtigen „Dr. Stein“ hört man nicht auf. Kurz nach halb zwölf verstummen die letzten Zugabe-Rufe und man macht sich mit der guten Nachricht, dass es Helloween noch immer können, auf den Heimweg.

Was bleibt abschließend festzuhalten? Ich denke, und das können mir wohl fast alle Besucher bestätigen, wir haben gesehen, wer die im Moment besten Metalbands Deutschlands und darüber hinaus sind. Einem superben Gig von Primal Fear setzten die „Kürbisköpfe“ unter Leitung des „Fischkopfes“ noch die Krone auf und können so auch on the road ihr glorreiches Comeback verkünden. Nach Michael Kiske und Kai Hansen schreit bei solchen Auftritten zumindest keiner mehr.