Squealer-Rocks.de Live-Review
Saidian und Crystal Crow (28.01.2007, Stuttgart, LKA Longhorn, Jack)

Um ehrlich zu sein: Wer lobt schon gerne die Konkurrenz? Ich ganz sicher nicht. Doch im Falle des seit diesem Jahr allmonatlich im LKA Longhorn zu Stuttgart stattfindenden Pure Metal Friday bleibt mir gar nichts anderes übrig als zu sagen: Chapeau liebe Kollegen von Metal.de und Powermetal.de! Bei der ersten Auflage durften mit Saidian, Crystal Crow und Destination’s Calling drei aufstrebende Acts aus der etwas größer umzäunten Region für jeweils 45 Minuten ihr Können dem Publikum in der baden-württembergischen Landeshauptstadt unter Beweis stellen. Bleibt also nur noch die Frage offen: Wer nimmt welche Position auf dem Siegerpodest ein?

Aus dem Taubertal angereist, liegt es an dem Quartett von Destination's Calling die von der Kälte, dem Schneetreiben und den Staus in der Stuttgarter Innenstadt geplagten und sich nur zaghaft der einen Meter hohen Bühne nähernden Zuschauer auf metallische Touren zu bringen - mit einem bescheidenen Erfolg. Denn wirklich dazu animiert, dass man seinen festeingesessenen Platz an der Bar gen Bühnenbereich verlässt, wird man von der jungen Truppe um die beiden Sänger/Gitarristen Christian Gräter und Markus Göller nicht. Dies liegt weniger am im Grunde genommen recht ansehnlichen, von schnellen Gitarrenläufen durchzogenen Melodic Metal, der sich grob definiert irgendwo zwischen Stratovarius und HammerFall aufhält, sondern vielmehr am meist viel zu vorhersehbaren Songmaterial und der falschen Setlisten-Zusammenstellung. Wenn erst gegen Ende mit dem zügigen "Walls Of Babylon" und der Bandhymne "Destination's Calling" Fahrt aufgenommen wird, dann läuft etwas aber gewaltig falsch. Denn ansonsten verweilt man, beispielsweise ob der in der Ballade "Disconnected" fehlenden Höhen und Tiefen, doch eher in leicht gelangweilten Kopfnickbewegungen. Einen Zustand, den insbesondere die dürftigen und zurückhaltenden Ansagen des Herrn Gräter mit dem bereits lichter werdenden Haupthaar weiter festigen. Alles in allem ein ausbaufähiges Auftreten einer Band, die Potential hat, dies allerdings besser und geschickter ausspielen muss. "Das nächste Weizenbier, bitte!"

Setliste (Destination's Calling):
Turning Away
Sinthetic
Fallen From Grace
Invisible Walls
Disconnected
Trapped In Silence
Sentenced
Bleeding Again
Walls Of Babylon
Destination's Calling

Da sind Crystal Crow aus der Fächerstadt Karlsruhe, die das heutige Kontrastprogramm stellen, schon wesentlich abgebrühter, schauen sie doch auf eine für Underground-Verhältnisse sehr erfolgreiche Karriere mit zwei tollen Veröffentlichungen zurück. Angeführt von der Stimmgewalt des Dirk Binder, der all das aus seinem Organ herausholt für das manche andere Combo einen zweiten Sänger bräuchte, setzen die fünf Düsterlinge auf eine 180 Grad Drehung zu ihren Vorreitern und können sich über einen relativ großen Zulauf freuen. Steht zunächst gerade mal eine knappe Hand voll Zuseher in gespannter Erwartungshaltung auf der so genannten "Tanzfläche", so füllt sich das Areal im Verlauf des ersten Songs beachtlich. Und das auch vollkommen zurecht! Fernab von den mittlerweile ausgeschlachteten Gothic-Klischees bewegen sich die Badener, bei denen die blonden Haare des Gitarristen einem Farbtupfer gleichen, auf dem schmalen Grat der Teilzugehörigkeit. Unverfroren wechselt man so vom Gothic in den Dark Metal Sektor und von dort aus in den Black Metal, ohne dass sich in dieser Symbiose irgendwelche Unstimmigkeiten bemerkbar machen. Den Hauptbestandteil des, für den Sänger "straffen", Zeitplans bildet selbstredend das exzellente und vielschichtige Material des Debüt-Longplayers UNEARTH THE DARK, aber auch mit dem einen oder anderen etwas älteren Schmankerl wie dem eingängigen "Corruption" macht der Tross auf sich aufmerksam und erntet abschließend überaus lautstarke Zugabeforderungen. Wer braucht da noch Primordial oder Moonspell, wenn sich in den eigenen Herrenländern eine ebenso schlagkräftige und gewissermaßen unabhängig klingende Band vorfindet?

Setliste (Crystal Crow):
Alive
Fading Memories
Scorn
Wasteland Of My Soul
Immortality
Wasted My Time
Pain
Inside
Corruption

Die Stimmung topp, das nächste Weizenbier geleert... es ist alles angerichtet für die Stuttgarter Machtergreifung der Power Melodic Metaller von Saidian. Wäre da nur nicht diese verflixte Technik. Beinahe eine zusätzliche Viertelstunde bemühen sich die Mannen letzten Endes erfolgreich, damit auch alle drei Keyboards von Markus Bohr zu hören sind. So kann es dann endlich gegen 22:30 Uhr losgehen! „Burn Down The Night“, der Einstiegskracher des Debütalbums, legt den Grundstein und plötzlich fragt man sich: Wo kommen denn die vielen Headbanger her? Haben die alle nur auf Saidian gewartet? Wenn dem so ist, haben sie auf jeden Fall nichts falsch gemacht. Auf Saidian um das Bühnentier Markus „Bruno der Bär“ Engelfried ist Verlass. Bärenstark präsentierten sie sich nicht nur auf der letzten Studioplatte PHOENIX, sondern auch live on-stage. Dieses Lob scheint die um keinen flapsigen Spruch verlegene Hauptattraktion zu wörtlich aufgeschnappt zu haben, weswegen sie für den Auftakt ins Bärenkostüm schlüpft. Immer mal wieder etwas Neues. Was seit jeher bekannt ist, ist die Gewitztheit ihres bei Edguy und Helloween in die Lehre gegangenen Power Metals. Er mag zwar nicht innovativ sein, überzeugt aber in Windeseile alle Kritiker. Wer seinen Kopf spätestens beim Hit „Ride On A Phoenix“ noch nicht auf „Bangekstase“ geschaltet hat, muss sein Gehör auf dem Weg ins LKA verloren haben. Damit der Funke auf das Publikum überspringt, muss der „Engel“ lediglich die Bühne entern. Den Rest erledigen seine Ausstrahlung, seine Entertainer-Fähigkeiten und natürlich auch sein Gesangstalent. Sei es nun das mächtig von Drummer Bernd Heining angetriebene „Power And Glory“, das eher gemächliche und dafür mitsingkompatiblere „State Of Euphoria“ oder das episch angehauchte „The Jester“, Saidian haben für jeden Moment das Richtige parat. Schade nur, dass aufgrund der längeren „Umbauphase“ und der sowieso knapp bemessenen Spielzeit bereits nach „Fallen Hero“ und der obligatorischen Zugabe („Heart Of Stone“) Schluss mit lustig ist...

Setliste (Saidian):
Burn Down The Night
Ride On A Phoenix
Power And Glory
State Of Euphoria
Silent Killer
The Jester
Fallen Hero
Heart Of Stone

Schluss ist aber allenfalls mit Live-Musik. Bis tief in die Nacht hinein führt einen das von obigen Webzines gestellte DJ-Trio durch die Welt der Metal-Klassiker und solchen, die es noch werden möchten. Na dann... Hail & Kill!

Fazit: 140 zahlende Besucher, eine tolle Stimmung und zwei fantastische Bands, die in umgekehrter Reihenfolge das Siegertreppchen belegen... Da kann man nur sagen: Premiere geglückt! Eine glatte 1,0 muss man zudem den Tontechnikern im LKA ausstellen, die einen durchweg knackigen und in allen Ecken gut ankommenden Sound aufs Parkett gezaubert haben.
Eine Tracht Prügel hatte heute nur einer verdient – und zwar der Wettergott. Aber dass dieser keinen Metal mag, wissen wir schon lange...