Squealer-Rocks.de Live-Review
Evergrey und Majesty (26.03.2006, Bochum, Matrix, Maddin)

Gute 12 Euro Eintritt für 4 Bands, von denen eine - Majesty – es mit ihrer neusten Scheibe sogar in deutschen Charts geschafft hat (dieses Schicksal wird die aktuelle Evergrey Veröffentlichung sicherlich auch ereilen), ebenfalls 12 Tacken für ein T- Shirt, 18 für ein Longsleeve – es geht also!
Geschätzte 250 Musikfreunde wussten dieses überaus fanfreundliche Angebot zu schätzen und säumten die von mir ungeliebte Bochumer Matrix.
Wer einmal dort auf einem Konzert war, kann meine Abneigung gegen diese Lokalität nachvollziehen: Viel zu niedrige Bühne, schlauchförmiger Saal und eine Akustik jenseits von Gut und Böse.

Zu hören um kurz vor halb acht, als der Opener Orden Ogan eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn auf die Bühne gejagt wurde und - wie leider üblich - unter einem fürchterlich übersteuerten Sound leiden musste. Kurioserweise starteten die jungen Burschen ihr gut halbstündiges Programm mit dem Manowar Kracher "Kings of Metal“, was wohl auf den Effekt abzielte, direkt zu Beginn für gute Stimmung zu sorgen. Klappte auch verhältnismäßig gut, findet aber nicht meine ungeteilte Zustimmung. Jungs, kein Vertrauen in Euer eigenes Material, oder was? Das konnte sich nämlich durchaus hören lassen. Die grobe Mischung aus Anthrax und Maiden klang ziemlich amtlich, auch wenn sich die Band dringend nach einem guten Sänger umsehen sollte.

Schon lange vor Konzertbeginn hallten "Hail to Majesty“ Sprechchöre durch das Bochumer Kellergewölbe. Die Fraktion der jungen Kuttenträger campierte bereits seit dem frühen Nachmittag vor der Matrix und verschreckte mit ungehörigem Auftreten so manchen Spießbürger, der im nebenan gelegenen Supermarkt brav mit Passat - Kombi und Mutti an der Hand die Einkäufe fürs Wochenende erledigen wollte.
Ist diese Horde repräsentativ für den Metal Nachwuchs, mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft des Stahls, wenn ich mich in 50 – 60 Jahren zur Ruhe setze. Klasse Jungs, Ihr habt 3 Stunden lang für geile Stimmung im Saal gesorgt und die Bands verdientermaßen abgefeiert. (Von hier aus mal einen schönen Gruß an Mörchen)
Na, ja – nahe der vierzig Lebensjahre schüttelt sich unsereiner nicht mehr in der ersten Reihe die Rübe strubbelig. Bei Majesty jedoch kam schon ein bisschen jugendlicher Elan in die alten Knochen zurück.
Sänger Tarek ist Majesty und Majesty sind Metal, und sonst nix! Was Tarek da auf der Bühne abzieht, ist nur als „bekloppt“ zu bezeichnen. Wenn ich seinen Arm nehmen und ihn mit einem Messer schneiden würde, würde das austretende Blut die Worte HEAVY METAL formen.
Der Mann lebt das, was er singt. Er steht keine 10 Sekunden still auf der Bühne und ist schlicht besessen von seiner Musik. Klar, dass solch extrem True - metallisches Gebaren bei dem einen oder anderen überheblichen Zeitgenossen für ein mitleidiges Grinsen sorgt. Sollen sie abschätzig lächeln, diese supercoolen Oberschlauen. Der Großteil des Publikums reckte anständig die Faust und brüllte Knaller wie "Reign in Glory“ oder "Metal Law“ aus tiefster Seele lauthals mit.
Die euphorischen Resonanzen stachelten auch Tareks Begleitmannschaft zu Höchstleistungen an, die während der ersten drei Songs noch etwas statisch agierte. Zu meiner großen Überraschung war der Sound relativ gut und sauber. Auch gesanglich konnte Tarek bei dem hauptsächlich aus Stücken des neuen Albums "Hellforces“ bestehenden Programm voll überzeugen.
Leider spielte die Band nur eine gute Stunde. Wie Tarek mir später verriet, musste die Band aufgrund des engen Zeitplans drei Stücke aus der Setlist streichen. So fehlte bedauerlicherweise die ultimative Bandhymne „Hail to Majesty“. Schade, aber geil war’s trotzdem.

Zu Mystic Prophecy kann ich leider nichts schreiben, da ich interviewtechnisch für Squealer.net unterwegs war. Später war aber zu hören, dass die Jungs mit ihrem anspruchsvollen Power Metal wieder mal überzeugt haben.

Irgendwann gegen 23 Uhr war dann Götterdämmerung im Kohlenpott angesagt: Ich werfe ja gerne mit Superlativen um mich, aber was Evergrey dann eine dreiviertel Stunde lang boten, raubt selbst mir die Worte.
Bis auf das neuste Album ist die Band bisher ziemlich an mir vorübergegangen, obwohl Redaktionskollege The Jack ständig tönt, wie toll die Schweden Kapelle doch sei.
Recht hat der junge Mann! Besser kann man modernen Metal nicht machen. Saumäßig hart, technisch enorm versiert und mit Melodien zum Sterben schön. Mangels Kenntnis der alten Sachen kann ich wenig zu der Setlist sagen, aber das begeisterte Publikum sang so ziemlich alles lautstark mit, dass selbst die Musiker streckenweise verwundert ins Auditorium blickten (Übrigens konnten Evergrey die höchste Zuschauerzahl vor der Bühne für sich verbuchen). Vom neuen Album wurden lediglich 2 Stücke gespielt, wobei "Obedience“ der große Abräumer war.
Ganz großes Manko war hier wieder mal der Sound. Matschig, übersteuert, eigentlich eine Frechheit. Man musste sich schon in die ersten beiden Reihen begeben, um dem katastrophalen P.A. Klang zu entgehen und den Monitor Sound mitzubekommen, was wegen des angesprochenen Zuschauerandrangs auch nicht gerade einfach war.
Egal, die Band machte durch ihre grandiose Vorstellung alles wieder wett. Da soll noch mal einer sagen, anspruchsvolle Musik und energisches Stageacting schließen sich aus. Die trinkfreudigen Skandinavier tobten wie eine Horde Barbaren über die Bühne – Bassist Michael Hakansson sieht zudem wie einer aus – und spielten trotzdem punktgenau ihre höchst progressiven Tracks.
Zum Ende des natürlich viel zu kurzen Gigs hatten Evergrey den Saal in ein regelrechtes Tollhaus verwandelt. Mich und einige andere Besucher hatte die Band jedoch schlicht paralysiert. Man stand nur ungläubig da, schüttelte den Kopf und wusste gar nicht genau, was da in den letzten 45 Minuten passiert ist. Ich glaube auch nicht, dass diese Musiker von der Erde sind – das müssen irgendwelche höheren Wesen sein.

Leider konnte ich mich bei der anschließenden Release Party, wo die Band zum gemeinsamen Feiern mit den Fans einlud, nicht mehr von der Zuverlässigkeit meiner These überzeugen. Tja, gegen Mitternacht tritt man in meinem Alter dann besser den Heimweg an.
Jetzt heißt es warten bis zum Mai, da werden Evergrey auf dem Rock Hard Festival Gelsenkirchen in Schutt und Asche legen. Und mir ist scheißegal wer da sonst noch spielt - nach Evergrey krieg ich eh nix mehr mit.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.