Squealer-Rocks.de Live-Review
Mercenary und Cheeno (25.04.2007, Saarbrücken, Garage, Jack)

Kultur auf die etwas andere Art und Weise. Punkt 13:00 Uhr, das schriftliche Abitur gehört mit dem Absolvieren der zweiteiligen Englischprüfung nun endgültig der Geschichte an und man kann endlich wieder nach dem wahren Sinn des Lebens forschen. Dieser hat an jenem sonnigen 24. April 2007 die Roxy, ein kleiner Musikschuppen im Herzen Saarbrückens, als Ziel. Nichts wie los. Das Auto mit allem Lebensnotwendigen ausgestattet, das nächstbeste Kreditinstitut geplündert und der zwei Stunden langen Fahrt quer durchs französische Naturschutzgebiet steht nichts mehr im Wege. Denn eins muss man den Franzosen lassen: Büchsenbier ohne Pfand ist eine ganz feine Sache. Das können nur noch Cheeno und Mercenary, die auf ihrer ersten Headliner-Tournee durch unsere Republik unterwegs sind, toppen.

Moment. Dass die sechsköpfige Gruppe aus Dänemark seit den Göttergaben 11 DREAMS und THE HOURS THAT REMAIN der Speerspitze der europäischen progressiv eingefärbten Power Metal Szenerie angehören, leuchtet auch den Veranstaltern in Saarbrücken ein, so dass man das ganze Event kurzfristig einfach mal in den deutlich geräumigeren kleinen Club der „Garage“ verlegt. Das mag den Einheimischen freuen, der Metal-Tourist darf dagegen schauen, wie er vom mühevoll gefundenen A nach B kommt. Andererseits spricht diese Resonanz auch für die beiden Acts – und an dieser Stelle bin ich dann auch schon stil mit etwaiger Kritik!

Doch der Reihe nach. Die bekanntermaßen schwere Aufgabe des lokalen Supports und Publikumsmagneten obliegt der jungen, seit August 2005 in dieser Besetzung zusammenspielenden Band Cheeno. Und wer die Songs und das Auftreten der fünf kennt, dem muss man wohl nicht allzu viel über den heutigen Abend erzählen. Allen anderen sei gesagt: Power Rock vom Allerfeinsten. Auch wenn der Gesang von Frontfrau und Energiebündel Jennie, die angefangen bei ruhigen Passagen bis hin zu extensivem Schreien stets Frau im Hause ist, ein bisschen untergemischt wurde, kommt die Essenz voll und ganz zum Tragen. Stellt euch ein detailverliebtes Audioslave mit vielen Alternative-Schattierungen und einer unabdingbaren Leidenschaft vor und ihr könnt euch denken, was Lieder wie das prägnante „Silizium“, das zurückhaltende „One Thing“ oder das smashige „The Ruler“ von der EP TRY TO RESCUE! an Druck erzeugen. Cheeno, die sich pudelwohl auf der Bühne fühlen und dies durch breites Grinsen und unterhaltsame Setlistendiskussionen („Dann spielen wir halt doch zuerst „Pacman““) zum Ausdruck bringen, unterscheiden sich vom heutigen Headliner zwar wie die Nacht vom Tag, dennoch spenden die gut 50 Besucher in einem ordentlich gefüllten Venue, das seinem Namen mehr als gerecht wird, artig Beifall. Perfekt um die Nackenmuskulatur auf Betriebstemperatur zu bringen. Bleibt nur noch eine Frage unbeantwortet: Wann kommt das erste Album?

Cheeno Setliste:
Cocaine
Invisible
@
One Thing And Another
Writings On The Wall
Pacman
Silizium
The Ruler

Ginge es nach der Qualität, die bei der Band um die Gitarristen Jakob Mølbjerg und Martin Buus unbestritten in den höchstmöglichen Gefilden angesiedelt ist, hätten Mercenary mit Sicherheit bereits so viele Platinalben im Proberaum stehen, wie sie Saiten an den Gitarren haben. Die Realität sieht leider noch etwas anders aus, aber was noch nicht ist, kann bekanntlich noch werden – und im Falle von Mercenary kann es das nicht nur... nein, es muss!
Begleitet von den abschließenden, episch anmutenden Klängen des Husarenwerks THE HOURS THAT REMAIN (im Übrigen mein Album des Jahres 2006 – für all diejenigen, die es noch nicht wissen) begeben sich die sechs, die die wenige Quadratmeter zählende Bühne voll ausfüllen, gegen 21:15 Uhr auf die Bretter, um uns erst einmal den Rücken zuzudrehen. Ein schöner Rücken kann auch entzücken...
... kann er nicht! Denn Mercenary fackeln nicht lange und lassen das kompakte, von einem treibenden Gitarrenriff angeführte „Soul Decision“ vom Stapel und sorgen von der ersten Sekunde an für fliegende Köpfe und wilde Posen im Publikum. Die Lederjacke hat der sympathische und ausdrucksstarke Sänger Mikkel Sandager, der sich äußerst erfolgreich an deutschen Ansagen versucht, genauso schnell abgelegt wie der Drummer (Mike Park) seine Wohlmütze. Bei gefühlten 40 Grad auch kein Wunder.
Apropos Mikkel Sandager. Sein Parforceritt, auf dem er sich selbst live mit voller Inbrunst befindet, ist nicht mehr in Worte zu fassen. Wer in den höchsten Ripper’schen Lagen schreit, so dass das Mikrofon beinahe den Geist aufgibt, und anschließend einen Gänsehautrefrain wunderschön vorträgt, der braucht keine weiteren Huldigungen. Denn das, was er treibt, gleicht bereits einer Huldigung.
Egal ob das forsche „Firesoul“, das bedachte „My World Is Ending“, das wuchtige und programmatische „World Hate Center“, die THE HOURS THAT REMAIN Granaten „My Secret Window“, „Redefine Me“ und „Year Of The Plague“ oder das anfangs im old-school Death wandernde „Seize The Night“ (gleichzeitig der einzige Song, der nicht von den eingangs erwähnten Alben stammt), das Publikum frisst den Dänen aus der Hand. Jede Aufforderung, sei es von Keyboarder Morten Sandager, Mikkel oder vom neuen dominant erscheinenden Bassisten und Zweitsänger René Pedersen, wird rigoros und in großer Zahl umgesetzt. Scheißegal, wenn morgen der Nacken schmerzt...

Nach einer knappen Stunde ist Luftholen angesagt, die Jungs verlassen die Bühne, um wenig später, begleitet von den lautstarken „Zugaberufen“, die finale, von den ausgiebigen Titeltracks der letzten beiden Studioalben gestellte, Viertelstunde einzuläuten. Beim Rausschmeißer „11 Dreams“ kennt die Begeisterungsbekundung keine Grenzen mehr. Was bis hierhin noch intakt war, war es spätestens sieben Minuten später nicht mehr. Shakehands (inklusive dem einen oder anderen Plausch) mit den ersten Reihen, akribisches Erfüllen der Autogramm- und Fotowünsche und dann heißt es endgültig „Gute Nacht Saarbrücken!“. Besser und authentischer kann man ihn nicht vortragen, den hauseigenen Power Metal!

Wer tatsächlich Angst hatte, dass der Headliner-Ausflug der Dänen eine Platte zu früh kam, wurde heute Abend ganz sicher eines Besseren belehrt! Besser geht es nicht!

PS: Wenn die Kollegen von POWERMETAL.de von einem „der heißesten Eisen im Metalzirkus“ reden, revidiere ich diese Aussage einfach mal mit der kleinen Fehlerkorrektur: Das heißeste Eisen im Metalzirkus!

Mercenary Setliste
(Reihenfolge ohne Gewähr)
Intro
Soul Decision
Firesoul
My World Is Ending
My Secret Window
World Hate Center
Redefine Me
Seize The Night
Year Of The Plague
The Hours That Remain
11 Dreams

Info: Tourbilder aus Essen und Karlsruhe findet ihr hier.