The Who und The Cult (22.06.2007, Oberhausen, Arena, maddin)
Geschmeidige 73 Euro durfte ich beim Erwerb des Tickets auf die Theke knallen. Tja, das ist kein Pappenstil. Und was macht man in so einem Fall? Richtig: sich aufregen und die Karte selbstverständlich trotzdem kaufen. The Who sind ja schließlich nicht Irgendwer.
Das dachten sich auch geschätzte 6000 Freunde des guten Geschmacks und füllten die Arena in Oberhausen zu gut drei Vierteln.
Und die Arena war es, die den Ärger ob des hohen Salärs sofort vergessen ließ, noch bevor eine Band auch nur einen Ton Musik gespielt hätte.
Bei schwülen und stickigen gefühlten 38 Grad im Freien, war die in punkto Organisation, Komfort und Akustik eh schon mit einem guten Ruf behaftete Arena klimatisiert!
Alle paar Minuten wehte eine frische Brise durchs Nichtraucher – Rund und sorgte so für höchst angenehme Rahmenbedingungen für das, was dann kommen sollte.
Bravo! Auch die Entscheidung, einen Bierstand im Innerraum zu platzieren und die Leute auch vor die Halle nach draußen zu lassen, wo „Terrassen“ angelegt waren, wurde dankend angenommen. Nochmals Bravo!!
Um genau 2 Minuten nach 20 Uhr betraten dann The Cult die Bühne, was ich mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis nahm. Die Engländer nerven schon seit den 90ern, nachdem sie ihre wundersame Metamorphose von einer Gruftie - Sargträger - Belegschaft zur Rock’n’Roll Kapelle vollzogen hatten, als „ewige Vorgruppe“.
Ob Meat Loaf oder Aerosmith, die Mannen um Ian Astbury beackern ständig das Vorprogramm von großen Bands, obwohl ich keinen Menschen kenne, der sich jemals ein Album von ihnen gekauft hat.
Nun, ja – die Briten boten dennoch einen ganz netten, wenn auch etwas hüftsteifen Gig. Der Sleaze Rock von The Cult ist zwar nicht schlecht – aber eben auch nur nett.
So duften die Jungs eine knappe Stunde (!) lang ihr Material unter die Leute bringen, wurden artig beklatscht, das war’s dann aber auch.
Symptomatisch der Moment, als Astbury erwähnte, dass The Who die „netteste Band sind, mit der wir jemals getourt sind“ und dass er ein großer Fan von Townsend und Daltrey ist. Hier gab es den lautesten Jubel, wobei dieses Statement durch die Umstände des Auftritts durchaus glaubhaft wirkte.
Neben der ungewöhnlich langen Spielzeit bekamen The Cult nämlich einen fantastischen Sound, eine Lightshow, wie sie andere Combos nicht mal als Headliner haben und die komplette Bühne (außer den Video Wänden) zur Verfügung gestellt.
Echte Legenden haben es eben nicht nötig, ihren Support Bands schlechte Bedingungen aufzudrücken.
Nach einer nur knapp 20 – minütigen Umbaupause, war es dann endlich soweit: die Spannung des bunt gemischten Publikums – vom pensionierten Oberstudienrat bis hin zum Metal Kid im Manowar T- Shirt war alles vertreten – war förmlich greifbar.
Was passiert nun? Sehen wir eine abgehalfterte Altherrenshow oder ist die Legende immer noch legendär.
Vorweg: dieses Konzert wird für alle, die dabei waren, eine Legende werden, über die sie noch in Jahrzehnten reden werden!
Understatement zu Beginn des Gigs: keine Ansage, kein Intro, keine Dramatik. Die Herren kamen ganz locker von der Seite auf die Bühne gestiefelt, winkten nett ins Publikum, positionierten sich, nahmen kurze Korrekturen an den Instrumenten vor und legten mit „I Can’t Explain“ los.
Wobei „loslegen“ in diesem Fall wohl die Untertreibung des Jahres ist. Es brach die Hölle los!! Und auch das ist noch harmlos ausgedrückt!
Reizüberflutung! Man wusste gar nicht, wo man hinschauen sollte. Rechts, links und über der Bühne riesige Leinwände, die das Geschehen on stage bis in die hintersten Ränge detailliert sichtbar machten und zudem mit kameratechnischen Finessen höchst professionell arrangiert waren. Im Bühnenhintergrund vier bewegliche Video Wände, die wahlweise vier verschiedene Motive, teilweise animiert, oder einen riesigen Hintergrundfilm präsentierten.
Dazu eine Lightshow, die diesen Namen wirklich verdient. Gegen dieses gigantische Spektakel wirkt selbst die Show von Rush wie Amateur Theater – und das soll was heißen!
Die zweite technische Komponente, der Sound, stand dem in nichts nach. Hatte ich für die Verkaufsstände im Vorraum, die Ohrenstöpsel für 1 Euro vertickten, im Vorfeld nur spöttische Bemerkungen über, machte sich schnell die Erkenntnis breit, dass Besucher, die selten auf Konzerte gehen, hier echte Probleme bekommen könnten.
Es war nicht laut – es war schweinelaut! Die Bass - Drum wirkte wie ein Faustschlag in den Magen, die hohen Töne kitzelten das Trommelfell gehörig und trotzdem kam das Ganze dermaßen sauber und klar aus den Boxen, dass ich immer noch eine Demutshaltung einnehme, wenn ich an die Tontechniker denke.
Doch wer hinter dieser perfekten Multimedia Show den Versuch vermutet, die Band verstecke sich dahinter, der sollte mal schnell sein Weltbild ändern!
Es dauerte keine 30 Sekunden, da setzte Pete Townsend zum ersten Mal den „Propeller“ ein und Roger Daltrey schleuderte sein Mikro in alter Manier hoch bis zur Hallendecke.
Klar, der Rest der - überaus stark besetzten (an den Drums bspw. Zak Starkey, Sohn von Beatles Trommler Ringo Starr) – Band brilliert in der Statisten Rolle im Hintergrund.
Es sind halt Townsend und Daltrey, die The Who sind.
Die beiden sind sich ihrer Rolle durchaus bewusst, verfallen aber nicht in Stargehabe, sondern legen eine schöne Portion Selbstironie an den Tag. Als Roger bei „Behind Blue Eyes“ zweimal an der selben Stelle einen Texthänger hatte, wurde die Stelle jedes Mal wiederholt und nach dem Titel entschuldigte sich der bebrillte Sänger mit den Worten:“ It comes with the age“.
Townsend betonte dagegen immer wieder: „Once, we were cool“.
Die Auswahl der Songs, die an diesem Abend gespielt wurden, ist grandios zu nennen. Nach der Eröffnungstriole (siehe Setlist) mit reichlich Video Einspielungen aus den 60ern, incl. der Randale in Brighton, konfrontieren die Gentlemen ihr Publikum direkt mit dem faszinierenden „Fragments“ vom neuen Album „Endless Wire“.
Der aktuelle Output nahm fast ein Drittel des gesamten Gigs ein, was ich überaus lobenswert finde. Sicher, die Resonanzen waren nicht ganz so groß wie bei den Klassikern, was aber wohl daran lag, dass viele Leute das Teil schlicht und einfach nicht kennen. Was sich nun sicherlich ändern wird, denn die neuen Dinger sind wirklich toll – da kann die Presse schreiben, was sie will.
Stimmungstechnische Höhepunkte dagegen waren „Baba O’ Riley“ mit einer spacigen Lightshow, „Won’t Get Fooled Again“, was wohl von allen mitgesungen wurde, „Who Are You“ mit einer tollen „Zugfahrt“ und das schmissige „You Better you Bet“, wo auch auf den hintersten Rängen getanzt und geklatscht wurde.
Ein bisschen von dem, was uns alle irgendwie gleich macht, konnte man bei der Elvis Presley Hommage „Real Good Looking Boy“ erleben: da hoben gut gekleidete Akademiker ihre Augengläser und wischten sich die Pisse aus den intellektuellen Glotzern.
Meine Glotzer wurden dann im Zugabenteil auch sehr tränenfrequentiert, denn es gab tatsächlich vier Stücke von „Tommy“ zu hören. Abgesehen davon, dass von „We’re Not Gonna Take It“ nur der „See me, Feel me..“ Teil präsentiert wurde, war es eine wunderschöne 20 – minütige Reise in die beste Rock – Oper aller Zeiten.
Nach exakt 2 Stunden verabschiedeten sich The Who dann von einer jubelnden Arena, und 6000 Fans und 6 Musiker wussten, dass sie alle kein Konzert, sondern ein Ereignis erlebt hatten.
Legenden sind meistens Märchen und sind selten so gut, wie erzählt wird. Aber manchmal werden Märchen wahr!
Danke, Mr. Townsend für dieses Konzert, welches so schön war, dass ich selbst beim Schreiben dieses Reviews noch heulen muss!
Setlist:
1. I Can’t Explain
2. The Seeker
3. Anyway, Anyhow, Anywhere
4. Fragments
5. Who Are You
6. Behind Blue Eyes
7. Real Good Looking Boy
8. Sound Round
9. Pick Up The Piece
10. Endless Wire
11. We Got A Hit
12. They Made Dream Come True
13. Mirror Door
14. Baba O’Riley
15. Relay
16. Drowned
17. A Man In A Purple Dress
18. You Better You Bet
19. My Generation
20. Cry If You Want
21. Won’t Get Fooled Again
22. The Kids Are Allright
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23. Pinball Wizard
24. Amazing Journey
25. Sparks
24. See Me, Feel Me
25. Tea And Theatre
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