Squealer-Rocks.de Live-Review
Riverside und Last Supper (13.12.2007, Karlsruhe, Substage, Reaper)

Dass dieser Dezember bislang ungewöhnlich warm war, das mag jeder für sich selbst erkannt haben, aber musikalisch gesehen ist er sogar richtig heiß, denn nach dem sonntäglichen Feldzug zieht es den Schreiber erneut in das Substage zu Karlsruhe, das seinen Namen nicht zu Unrecht trägt, um dieses Mal der polnischen Progperle Riverside und deren Vorband Last Supper beizuwohnen.

Bereits vor dem Konzert herrscht vor der Bühne eine ruhige, entspannte Stimmung, so wie man sie vor einem Auftritt einer Prog Band auch erwartet – kein Gedränge, kein Geschiebe.
Gegen 21:00 betreten dann die Kanadier von Last Supper die Bühne und eröffnen ihren Auftritt mit dem Song „Mary“ vom aktuellen Album ORDER INTO CHAOS. Stilistisch sind die vier schwer nur einzuordnen, da sich leicht verspielte Soli mit griffigen Rock 'n' Roll Rhythmen stetig abwechseln und Streckenweise sogar ein Hauch von Alternative von den Klängen ausgeht. Der wuchtige Frontmann Dan Shwetz, der den Anschein von „aus dem Bett gefallen“ erweckt, unterstreicht seine Texte mit Gesten und teils wildem Ringelrein um den Mikroständer. Fragte man sich zu Anfang noch, ob seine Cola pur wäre oder nicht, beantwortet sich die Frage, als Schlagzeuger Jodeye eine große Flasche Jägermeister öffnet, selbst einige tiefe Schlucke daraus nimmt und seinem Sänger ebenfalls einschenkt.
Mit „Order Into Chaos“ gefolgt von „Lifeline“ stecken Last Supper die Bandbreite ihrer eingängigen Musik sehr gut ab. Für die letzten drei Songs erhöht sich die Musiker Anzahl auf fünf, da zusätzlich der Posten an den Tam-tam Trommeln besetzt wird. Den Abschluss eines sympathischen und gelungenen Auftritts bildet ein Lied mit dem schier unaussprechlichen Titel „Selfactualization“. Trotz allem bleibt der fade Beigeschmack, dass diese Art der Musik eher in gemütliche Kneipenatmosphäre passt.

Die Kamera, die vor der Bühne aufgebaut ist, verspricht schon bevor es wirklich losgeht, dass der heutige Abend etwas ganz besonderes werden sollte, denn wenn eine Band ein Konzert mitfilmen lässt, dann steht fest, dass sie sich noch einmal richtig ins Zeug legen wird. Auch wenn man diesbezüglich bei dieser Band keine Zweifel hegen dürfte. Jedoch bevor es wirklich soweit ist, kann man den Bühnentechnikern bei der Arbeit zu sehen, denn die Instrumente und Aufbauten der Vorband werden vollständig abgebaut und der Raum auf der Bühne so frei geräumt, wie man es selten nur sieht. Keine Bühnenmonitore verstellen die Sicht auf das Geschehen und bald schon wird auch die Sicht auf den enormen Schlagzeugaufbau frei gegeben. Jedes Kabel jeder Scheinwerfer wird noch einmal genaustens gerichtet. Das ist Perfektionismus.

Rotes Scheinwerferlicht und Nebel tauchen die Bühne schon vor dem Auftritt der Musiker in ein anziehend, warmes Licht und intonierend erzeugen passende Stücke vom Band die zur Szenerie passende Stimmung, die dicht und emotional erscheint. Mit langsam verstummendem Intro betreten die vier Polen schließlich unter tosendem Jubel die Bühne. Der Auftakt zu einer faszinierenden Progreise, die den Zuhörer förmlich mit sich reißt, tiefer sinken und atemlos in den Tiefen eines dunklen Flusses treiben lässt. Wer die Alben von Riverside kennt, der weiß, wovon ich spreche. Licht und Klang verschmelzen zu einem steten Fluss und auch alles andere schwingt, treibt im Gleichtakt dahin, so dass Zeit und Raum verschwimmen, sich gar aufzulösen scheinen. Kaum mehr in Worte zu fassen ist dies, da man es selbst erlebt haben muss, um es begreifen zu können. Und wie die Leine, das Licht im Dunkel schwebt Mariusz Dudas ruhige, düstere Stimme über dem progressiven Strom, die den Hörer förmlich fesselt. Was die Band von ihrem Karlsruher Publikum erwartet, nachdem sie zuletzt als Vorband von Porcupine Tree in der Fächerstadt haltmachten, das hatte ja schon Dan von Last Supper angedeutet – der wahrscheinlich noch vor Ende dieser Tour Fan der Polen sein dürfte und gar später während deren Auftritts eine Runde Schnaps spendierte – als er meinte, es hieße, dass das Publikum hier das verrückteste sei – verrückt nämlich nach Riverside oder wie brachte es ein Konzertbesucher nach dem Auftritt auf den Punkt: „Ich mag diese Band nicht nur, ich liebe sie!“
So streckt Mariusz auch die Arme aus und berührt die fast schon legendär niedrige Decke des Substages und meint, dies wäre das erste Mal, dass er dies tun könnte.
Im Gefühl in Harmonie mit sich und allem zustehen vergehen die knapp 105 Minuten des ältere wie neuere Stücke vom Album RAPID EYE MOVEMENT enthaltenden Sets wie im Fluge und mit jedem Lied wirkt das Publikum mehr und mehr elektrisiert, wenn es eine Steigerung für tosenden Applaus gibt, dann ernten Riverside ihn heute Abend nicht nur nach jedem einzelnen Stück, sondern auch zwischen jeder der drei Zugaben.

Selten sah ich einen solch perfekten, fast magischen Auftritt einer Band, wie ihn Riverside an diesem Mittwochabend im Dezember hingelegt haben. Der Sound war so klar und druckvoll, als würde man sich eine perfekt produzierte Platte anhören, wenn nicht noch besser.
Vergesst alles, was ihr über die so genannten Proggötter gehört habt, denn die wahren Götter des Progressive Metals kommen aus Polen und hören auf den Namen Riverside!