Band-Special: TOMORROW'S EVE

(erstellt von Märchenonkel, 20.01.2008)


Die Band und ihre Geschichte

Wenn sich eine Band mit nur einem Album in die Herzen der kompletten Progressive Metal-Fraktion von SQUEALER-ROCKS katapultiert, ist das schon eine beachtliche Leistung. Immerhin werden jeden Monat viele starke Scheiben in diesem Sektor veröffentlicht. Sich trotzdem so durchzusetzen, dass die Platte derart hartnäckig im Hinterkopf verharrt, wie es Mirror Of Creation 2 - Genesis II von der saarländischen Formation TOMORROW’S EVE getan hat, ist doch außergewöhnlich. Da sich die nachfolgende The Tower-EP als keinen Deut schlechter hervortat und vor einigen Monaten mit Tales From Serpentia ein weiterer Kracher in die Umlaufbahn geschossen wurde, wird es für SQUEALER-ROCKS langsam Zeit, die konstant auf internationalem Niveau agierende Band an dieser Stelle mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Gegründet wurde die Band um die einzigen verbliebenen Originalmitglieder Rainer Grund (Gitarre) und Oliver Schwickert (Keyboards) kurz vor der Jahrtausendwende. Ein stabiles Line-Up innerhalb der Band war für die beiden bis nach dem Release von „Mirror Of Creation“ aber eher eine Mischung aus Hoffnung und Wunschdenken. So waren in die Produktionsprozesse des Debütalbums „The Unexpected World“ und dem Nachfolger „Mirror Of Creation“ beispielsweise nicht unbedingt die Musiker involviert, die damals zur aktuellen Besetzung von TOMORROW’S EVE gehörten. Dadurch wurde „Mirror Of Creation“ ein sehr gutes Progressive-Metal Album, welches das Debüt der Band, das in der Presse seinerzeit sehr gut aufgenommen wurde, im Bereich Songwriting noch übertraf.


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Jedoch war es nicht mehr als ein erster Schritt auf dem Weg zum Ziel, das in diesem Fall Mirror Of Creation 2 - Genesis II heißen sollte. Erst mit dem Einstieg von Tom Diener (Schlagzeug), Chris Doerr (Bass) und dem Wechsel hinter dem Mikrofon von Rouven M. Bitz hin zu Martin LeMar konnten Rainer und Oliver ein beständiges Line-Up um sich vereinen, dass nicht nur musikalisch den Ansprüchen der beiden gerecht wurde, sondern auch bereit war, ebenso viel Energie in die Band zu stecken, wie die beiden Gründungsmitglieder selbst. Als weiterer Glückgriff stellte sich außerdem der neue Plattenvertrag mit der finnischen Company Lion Music heraus. Man einigte sich auf eine langfristige Zusammenarbeit und TOMORROW’S EVE konnten sich nun auf das konzentrieren, was sie am liebsten machen: Gute, ins Ohr gehende, progressive Metal-Songs schreiben.

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Mit diesem positiven Schub im Rücken, wurde sich nun an das Songwriting für das dritte Album der Band -Mirror Of Creation 2 - Genesis II- gemacht. Hierbei tat sich vor allem Martin nicht nur als hervorragender Texter (er zeichnete sich für das lyrische Konzept des Albums verantwortlich) hervor. Der neue Mann am Mikrofon hat mit seiner charismatischen Stimme eine zusätzliche, wertvolle Nuance in den Sound der Band hineingebracht. Konnte man die Songs von TOMORROW’S EVE bisher aufgrund des ausgefeilten Songwritings erkennen, kamen im Laufe der aktuellen Produktionsphase die Melodien, die von der facettenreichen Stimme LeMars‘ perfekt in Szene gesetzt wurden, immer mehr zum tragen. Das Resultat war mehr als hörenswert und hatte beginnend mit dem Songwriting bis hin zur transparenten, druckvollen Produktion international konkurrenzfähiges Niveau. Wer Songs wie „The Eve Suite“, „Amnesia“, „The Trials Of Man“ oder den Kracher „Distant Murmurs“ (den ich hier mal auf eine Stufe mit DREAM THEATERs „Pull Me Under“ stelle) kennt, wird das ohne zu zögern bestätigen können. Das sahen weltweit auch die Kritiker so und bewerteten das Album durchgehend positiv und mit Höchstnoten. Wahrscheinlich mehr als in jedem anderen Genre zählt im Metalbereich aber die Präsenz auf der Bühne, ob die Band ihre Kompositionen in der Livesituation ebenso wie auf Platte rüberbringen kann und wie sie sich live gibt mehr als gute Kritiken. Hier sahen sich TOMORROW’S EVE mit demselben Problem konfrontiert, dass viele Bands haben. Die Musik ist gut, zu den Gigs kommen aber immer nur eine Handvoll Fans. Oder, im schlimmsten Fall, gibt es überhaupt keinen Toursupport für die Band, weil sich das für die Plattenfirma nicht rechnet. TOMORROW’S EVE waren zwar unterwegs (u.a. mit RAGE und CIRCLE II CIRCLE), die Shows der Band spieltechnisch auch sehr gut, litten aber unter mangelnden Zuschauerzuspruch (hierzu lest bitte auch das Interview mit Gitarrist Rainer Grund).

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Davon ließen sich die Saarländer aber nicht entmutigen und enterten Anfang des Jahres 2008 erneut das Studio, um den Nachfolger von Mirror Of Creation 2 - Genesis II aufzunehmen. Ich habe von der Band die Einladung erhalten, die Jungs im Studio zu besuchen und für SQUEALER-ROCKS einen exklusiven Studioreport zu schreiben. Leider hat das Terminlich nicht geklappt und so habe ich Rainer gebeten, für SQUEALER-ROCKS und speziell für Euch, liebe Leser, einen kurzen Einblick in den Produktionsprozess zum neuen AlbumTales From Serpentia zu geben. Deshalb schweige ich an dieser Stelle und überlasse Rainer das Wort an Euch:


In Their Own Words

Hallo an alle Metalfans da draußen.

Hier könnt Ihr nachlesen, wie üblicherweise ein TOMORROW`S EVE Album entsteht. Bitte seht mir die etwas augenzwinkernde Schreibweise nach. Und nun viel Spaß beim Lesen…

Tag 0
Nichts ist wie es war und wir stehen mal wieder vor der Entscheidung, was auf die Platte kommt und was nicht. Unser größtes Problem dabei ist: Es gibt noch kein Material. Insofern unterscheidet sich die neue Scheibe nicht von den anderen. Also geschwind ne Bandbesprechung. Entschluss: "Wir müssen mit dem Komponieren anfangen." So geschehen.

Tag 10
Sichtung des Materials. Reicht noch nicht, also weiter.

Tag 20
Siehe Tag 10.

Tag 40
Ziel erreicht. Es gibt genügend Material, das uns selbst zufrieden stellt. Allerdings sind das bislang nur Rohfassungen und der Studiotermin rückt gnadenlos näher. Uns bleiben noch weitere 10 Tage zum ausarrangieren der Songs. Mit perfekten Vorabversionen (meinen die einen) oder mit Songfragmenten (meinen wieder andere), die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, sind wir nun bestens gerüstet (das meinen alle) für das Abenteuer Studio.

Tag 41
Verdammt, wir haben vergessen unserer Plattenfirma die Vorabversionen zukommen zu lassen. Hoffen wir mal, dass sie das nicht merkt. "Wenn die erst das fertige Produkt bekommen, passt das schon wieder" ist die einhellige Meinung. Also guten Mutes am nächsten Tag ins Studio.

Tag 42 – 46
Wir sind da, Su2 Saarbrücken, hier haben wir auch die Mirror Of Creation 2 - Genesis II undThe Tower aufgenommen. Der Ablauf ist wie immer, Equipment ins Studio räumen aufbauen und dann zu allererst Fachsimpeln, Kaffee trinken, was Essen. Tom Diener (Drums) ist wie immer als erster dran. Er hat Zuhause und im Proberaum schon seine Clicktracks programmiert. Somit kann er direkt nach dem stundenlangen Soundcheck mit den Aufnahmen beginnen. Das unfassbare für uns daran ist, dass er keinerlei Ghostspuren außer einigen wenigen Key´s benötigt. Zitat: "Das stört mich nur, wenn es noch nicht fertig ist." Das Resultat gibt ihm wie immer Recht. Wir wundern uns trotzdem. Übrigens hat Tom live auf seinem linken Ohr die Klicks und rechts die Samples. Also, ich würde da wahnsinnig werden. Aber Drummer sind halt so.

Nach drei glorreichen Tagen hat er die Spuren eingetrümmert sein Setup zusammengetrümmert und den Soundmann niedergetrümmert. So muss es sein.

Tag 47
Oli Schwickert bringt seine Keyboardspuren von Zuhause auf CD mit. Er spielt immer alles Zuhause in seinem Mini Studio ein. Das spart Geld und Studiozeit. Sein Part ist somit effektiv am selben Tag beendet. Da er sonst nichts mehr einzuspielen hat, überwacht er den größten Teil der restlichen Aufnahmen PERSÖNLICH:

"Sind alle Spuren an Phil? Ja. Sicher? ich höre meine 26te Spur im Takt 252 nicht.“ “Ähh, ja. Die ist noch aus.“ “Hab ich doch gesagt!"

Tag 48 – 54
Der Bass ist dran. Chris Dörr spielt seine Parts gewohnt routiniert ein. Natürlich nach den üblichen Fragen wie "Meinst Du der Sound ist gut?“ “Ja Chris. Drückt wie Sau und auch die Feinheiten hört man.“ “Meinst Du?“ “Ja absolut.“ “Also ich weiß nicht so recht...“ “Doch, is‘ geil.“ “Wir müssen ja nicht unbedingt heute mit dem Bass fertig werden.“ “Hast recht Chris, klingt scheiße.“ “Ne, ich denke wir lassen es so.“ “Geht doch.“ “Ich könnte da noch was verändern und hier noch was dazu spielen....." Chris ist eben Perfektionist!

Tag 54 – 62
Ich bin dran. Nach meiner Standard-Aufforderung "Die Gitarre muss diesmal mehr drücken", treibe ich schon vor meinem ersten Take den lieben Phil (Su2-Inhaber und Soundmann) in den Wahnsinn. Wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt habe.... Nach Tests sämtlicher zu Verfügung stehender Mikros und 2- 12 Litern Kaffee (nicht ich, aber Phil) habe ich am Ende des ersten Tages einen Sound gefunden mit dem "man mal anfangen kann". Liebe Gitarristen, kennt Ihr das auch? Nachdem die Aufnahmen an den weiteren Tagen sehr konzentriert verlaufen und nur durch diverse "drückt es noch?“, “Bundrein?“, “Der Pickup könnte ein wenig mehr unter der Saite stehen!“, “Der Sound ist heute komplett anders.“, “Der Take war nix.“, “Doch. Ne. Doch. Ist ja gut Phil." unterbrochen. Nach Abschluss meiner Aufnahmen kommt am selben Tag das, was die meisten Studiomenschen in den Wahnsinn treibt LASS ES UNS MAL KOMPLETT DURCHHÖREN!!  Lauter!  Ahhhhhhhhhhh.

Tag 62 – 70
Martin LeMar kommt. "Hallo Phil. Na, alles klar? Lass mal den Anfang von "Succubus" hören. Die Gitarre drückt geil, Rainer! Meinste.....?" Keine Angst hatten wir schon.

Martin ist ein Phänomen. Er hat bereits im Proberaum geile Lines ausgearbeitet, dennoch kenne ich die Hooks nicht, die er da im Studio einsingt!? Eins ist sicher. Erst wenn es auf Platte ist, ist es final. Völliges Vertrauen in seine Arbeit umschreibt es am besten. Martin und Phil kennen sich schon sehr lange und deshalb verstehen die beiden sich blind während der Produktion. Ein paar Tage später ist dann alles abgearbeitet. Jetzt noch schnell mixen und Mastern. Sagte ich schnell? Also Mixen und Mastern dauert gefühlte 100 Monate. Ihr wisst ja "ich höre meine 26te Spur im Takt 252 nicht. Ähh, ja die ist noch aus. Hab ich doch gesagt!" usw… Jetzt die Platte noch zum Label schicken und absegnen lassen........... puh, Glück gehabt!

Nach all diesen Qualen freuen wir uns schon auch die nächste Scheibe und befinden uns jetzt schon etwa bei Tag 30. Ich hoffe dieser kurze Einblick hat euch unterhalten, Tales From Serpentia wurde im Oktober veröffentlicht und wir möchten uns an dieser Stelle für die großartigen Reaktionen und eure Unterstützung bedanken.

Dass TOMORROW’S EVE nicht nur bei ihren Kompositionen penibel auf gute Arrangements und eingängige Melodien setzen, sondern auch bei jedem Album gehobenen Wert auf ein gutes textliches Konzept legen, dürfte aufmerksamen Hörern längst bekannt sein. AuchTales From Serpentia kann wieder mit einem komplexen Textkonzept punkten. Und manchmal ertappt man sich beim Hören einer Progressive Metal-Scheibe auch dabei, dass man dem Textkonzept der betreffenden Platte nicht ganz folgen kann. Ihr kennt das sicherlich. Ihr lest die Texte und fragt Euch: „Wovon, zum Zwiefach Gehörnten, redet der Typ hinter dem Mikro eigentlich?“ Da man, wie eben gesagt, hin und wieder mal nicht durchblickt, gebe ich hier mal wieder, was sich Sänger Martin LeMar zur Musik auf Tales From Serpentia hat einfallen lassen:

Die Story

Unser namentlich nicht erwähnter Protagonist (nenn‘ ich ihn mal eben dem Klischee und der Einfachheit halber "Bill") hat die besten Jahre seines Lebens an eine Drogenabhängigkeit verloren. Er war seine komplette Jugend über auf der (fiktiven) Droge "Serpentia" (allegorisch für Schlange/Teufel etc.). Seine damalige Freundin (nennen wir sie "Susan"), welche jeden Trip mitgemacht hat, bemerkte irgendwann, dass die Visionen, die Bill auf Serpentia hatte, "total coole" Kurzgeschichten abgeben würden und drängte ihn immer wieder, wenn er auf Stoff war, seine wirren Gedanken und Trips in Form von Kurzgeschichten niederzuschreiben. Eines Tages durchlebte Bill aber einen etwas zu wahnsinnigen Horrortrip, bis hin zu einer Nahtod-Erfahrung.

Dieses Ereignis schließlich drängte ihn zum Entzug, den er auch nach ein paar sehr harten Monaten schaffte. Susan allerdings schaffte den Absprung nicht, sie nahm auch seine Schwierigkeiten nicht ernst. Während Bill zum einen immer klarer im Kopf zu werden schien, wurde sie für ihn immer unerträglicher. Er versuchte auch ihr zum Entzug zu verhelfen, sie aber wollte sich nicht helfen lassen. Und als Bill sie dann eines Nachts wieder beim Fixen erwischte, setzte er sie für immer vor die Tür.

Bill ist mittlerweile sesshaft geworden, hat einen guten Job, ein schönes typisch amerikanisches Haus, ein bisschen Luxus und lebt ein geordnetes Leben. Susan allerdings ist noch immer Junkie und schlimmer dran als zuvor. Sie hängt mit anderen Junkies auf der Straße rum, Manchmal sieht er sie, wie einen Geist aus der Vergangenheit in der passierenden Menschenmenge auftauchen und verschwinden. Eines Tages fällt ihm beim Aufräumen in der Garage ein Karton entgegen und heraus fallen lose Blätter, von Hand geschrieben und in erbärmlichem Zustand. Es sind die damals "auf Serpentia" geschriebenen Kurzgeschichten. Bill nimmt sie mit ins Haus und legt die Seiten auf seinen Schreibtisch.

Es ist später Abend und es regnet in Strömen. Während Bill auf dem Balkon steht, nimmt er die ersten Seiten seiner Kurzgeschichten (in denen er immer der Protagonist ist und sein Unterbewusstsein, welches sich klar darüber ist, was „Bill“ alles falsch macht, ihn mit immer drastischeren Bildern warnt und versucht ihn vom „falschen Weg“ abzubringen) in die Hand. Da fällt ihm der Streit ein, den er damals mit Susan hatte, als er sie wieder beim Fixen erwischt hatte, und was sie zu ihm sagte und die Nacht beginnt…

Years Ahead
Es geht unabhängig von der Hauptstory um einen senilen Mann, der glaubt seiner Oma zu erzählen, wie er sich gleich mit seiner neuen Flamme trifft, dabei ist die Oma seine "Flamme" und alles das was er erleben will, liegt bereits lange hinter ihm und er muss inzwischen von ihr gepflegt werden. Dennoch hat er Hoffnung auf die kommenden Jahre (denn er glaubt ja für sich selbst, noch jung zu sein). Sie aber fürchtet die Jahre voller Umstände und Entbehrungen mit ihm, der sie nicht mehr erkennt.

Die Stimme des Unterbewusstseins: "willst du dein ganzes Leben so verbringen? dann fürchte ich um die Jahre, die noch kommen werden, auch wenn deine drogenabhängige innere Stimme dir sagt, dass sie schön werden... du machst dir dein Hirn kaputt."

Dream Diary
Ein Mann schreibt ein Traumtagebuch. Aber andersrum. Erst schreibt er seinen Traum nieder, dann legt er sich schlafen und träumt wie auf Bestellung. Als er das erkennt und gelernt hat damit umzugehen, kommt er auf eine eigentlich schöne Idee. Die Frau dieses Mannes ist leider sehr jung verschieden und so beschließt er sich noch einmal eine Nacht mit ihr im Bett zu „erträumen“. Er möchte nur mit ihr das Bett für die gesamte Nacht teilen. Doch der Tod lässt sich ungerne ins Handwerk pfuschen und so „erwacht er in seinem Traum in ihrem gemeinsamen Bett und muss zu seinem Grauen feststellen, dass er neben der verrotteten Leiche seiner Frau liegt, unfähig sich aus dem Bett zu entfernen, oder diesem Traum vor dem Morgengrauen zu entfliehen. Und so bleibt ihm nichts als abzuwarten, bis diese Nacht vorbei ist.

Die Stimme des Unterbewusstseins: „Du flüchtest dich immer tiefer in den Rausch der Droge. Du bist aber entgegengesetzt all deiner Versprechen nicht Herr darüber, was mit dir passiert. Du verlierst die Kontrolle, Mann!“

No Harm
Ein Familienvater, der sich auf der Suche nach dem absoluten Kick, über normale Pornographie, über Gewaltpornos bis schlussendlich zum „Snuff“ durchgearbeitet hat. Wenn niemand da ist, wie an dem Wochenende, an dem die Geschichte spielt (seine Frau ist arbeiten und seine Tochter mit einer Freundin in den Ferien), loggt er sich in ein VPN ein, in welchem er mit einem europäischen Typen verbunden ist, der live vor laufender Kamera Menschen tötet. Er ist der Meinung, dass durch das bloße Zuschauen kein Schaden entsteht. Er sieht nur zu, führt keine Klinge, er tut niemandem weh und ergötzt sich daran. Das erste Opfer ist kaum vom Tisch, da wird ein junges Mädchen gezeigt und als die Pistole zum Gesicht des Mädchens wandert, sieht seine Tochter in die Kamera und schreit: „Daddy, please take me home!“ – bang!

Die Stimme des Unterbewusstseins: „Egal wie sehr du behauptest, niemandem mit deiner Sucht zu schaden, es ist unwahr. Du schadest denen, die dich lieben und dir selbst und wirst immer weiter abrutschen, bis zum Untergang.“

Remember
In einer Nervenheilanstalt versuchen die Ärzte einem Mann eine imaginäre Person aus dem Gedächtnis zu löschen. Die Pillen wirken nicht. Er bildet sich seit Jahren eine Ehefrau ein, die er nicht hat. Während er der Meinung ist, dass er sie nie vergessen wird, weil sie seine eine wahre Liebe ist (1. Strophe), bittet sie ihn (2. Strophe) sie nicht zu vergessen, denn sie kann nicht leben, wenn nicht in seinem Geist. Doch am Ende obsiegt die Wissenschaft und der Patient ist geheilt.

Die Stimme des Unterbewusstseins: „Du bist nicht mehr du selbst. Die Person, die du einmal warst, existiert noch immer in deiner Erinnerung. Doch wenn du so weitermachst, wird die Droge dich von dir selbst heilen und das irreversibel.“

Succubus
Ein Typ wirft sich Drogen ein. Und jedes Mal wenn er „high“ ist, erscheint ihm die absolute Traumfrau. Das anmutigste und schönste Wesen, das er jemals gesehen hat. Aber sie ist nicht greifbar. Sie spielt mit ihm, wirf ihm kokette Blicke zu. Hat manchmal aufreizende Kleider oder auch nichts an. Und je stärker er sich in sie verliebt und ja, das tut er, desto öfter nimmt er die Droge, um sie zu treffen. Irgendwann schafft er es dann doch sie zu berühren, er findet halt, kann sie greifen halten und spürt: sie will es auch! Und nach dem besten Sex seines Lebens erwacht er am Morgen mit Blut an seinen Händen über einer doch eher hässlichen Frau, die er noch nie gesehen hat. Und es dämmert ihm, dass er sie wohl wahllos vergewaltigt und ermordet hat, weil er diese Traumfrau, seinen Succubus, auf diese Frau projiziert hatte und beschließt damit aufzuhören. Aber er hört ihren Ruf, will sie sehen...muss sie sehen...um jeden Preis müssen sie weitermachen. Und so opfert er für ihre Liebe jede Nacht ein Menschenleben...Sie ruft ihn.

Die Stimme des Unterbewusstseins spricht hier zum ersten Mal klar und deutlich zu ihm: „Alter, du bist süchtig. Und du kommst davon nicht weg. Du wirst in die Beschaffungskriminalität reinrutschen und damit alles ruinieren. Wach auf und hör auf!“

Warning / The Curse
„Warning“ und „The Curse“ gehören zusammen. Es geht prinzipiell um einen betrogenen Ehegatten, der mit Voodoo, seinem Nebenbuhler das Leben nehmen will. Wichtig ist ihm, dass es lange dauert und dass der Fluch gleichzeitig die Erkenntnis bringt, wer ihn ausgesprochen hat. Im Sterben muss das Opfer wissen, wer ihn so qualvoll dahinsiechen lässt. Dieser Nebenbuhler allerdings ist firm in schwarzer Magie und riecht den Braten. Er vertauscht sein Haar mit dem Haar der Ehefrau und dadurch trifft der Fluch die falsche Person. Und der Mann weiß, dass seine Frau weiß, wer den Fluch ausgesprochen hat und sie stirbt entsetzlich langsam in seinen Armen, mit wissenden vorwurfsvollen Augen...

Die Stimme des Unterbewusstseins: „Du hast dich selbst verflucht. Du weißt es selbst. Die Droge wird dich dahinsiechen lassen und du selbst bist schuld daran. Es nimmt dir alles weg, was dir jemals etwas bedeutet hat und schaut dir dabei noch feist ins Gesicht.“

The Tower
Hier herrscht eine verworrene Traumsituation. Ein Orakel legt dem Protagonisten dieser Geschichte Tarot-Karten. Und gleichzeitig steigt dieser einen spiralförmige doch scheinbar niemals endende Treppe hinab. Er wird verfolgt und zwar von sich selbst. Das Orakel legt ihm immer wieder den Turm, die Karte der erzwungenen Veränderung. Und er greift in seine Tasche, um ein Messer zu ziehen. Das Orakel blickt ihn aber an und sagt: „tu es, nimm das Messer und ramm es in meine Kehle, wie du es schon tausende Male gemacht hast. Und wenn du die Karte berührst, wirst du dich in der Dunkelheit wiederfinden“. Er ersticht sie und steht wieder am oberen Ende der Treppe, die ihn weiter in den Abgrund des Turmes führt. Unter ihm geht er bereits. Und er geht wieder weiter, während ihm gleichzeitig vom Orakel die Karten gelegt werden.

Die Stimme des Unterbewusstseins: „Wir machen in unserem Leben die gleichen Dinge viel zu oft wieder genauso falsch, wodurch wir uns in einem Teufelskreis bewegen. Es ist Zeit zu handeln. Tust du es jetzt nicht, wird es das Schicksal für dich tun und wer weiß wie.“

Faces
Ein Mörder sieht die Gesichter seiner verstorbenen Opfer jeden Tag auf der Straße. Sie begegnen ihm als Passanten (quasi wie Bildüberlagerungen – eigentlich gehen ganz andere Leute völlig normal an ihm vorbei) und erinnern ihn immer wieder daran, was er getan hat. Bis er irgendwann vor dem Spiegel steht und plötzlich selbst im Spiegel ein anderes Gesicht hat. Und dieses Gesicht hält sich mit seiner Hand ein Messer an die Kehle und der Killer bringt sich selbst um...

Hier hat das Unterbewusstsein die Geduld verloren und auf Worte verzichtet. Bill starb mit seinem Protagonisten.

Und hier setzt „Muse“ nahtlos an, weil ihm jetzt alles klar wird. Die Nahtod Erfahrung war eine Geschichte. Ein Trugbild und ein Schlag ins Gesicht mit freundlichen Grüßen vom Unterbewusstsein. All die Jahre hat er nie zwischen den Zeilen gelesen. Tausend Albträume niedergeschrieben aber erst durch den imaginären Kehlenschnitt Erlösung erfahren. Klar wird: Ohne diese Geschichte, diese Vision aber, hätte es seine Veränderung nicht gegeben.

Und da beginnt ihm zu dämmern, dass es ohne Susan die Geschichten nie gegeben hätte. Sie war seine Muse, Inspiration und dadurch aber auch gleichzeitig Grundstein für seine Rettung. Und er hat sie beim ersten Anzeichen von Schwäche vor die Tür gesetzt?

Er beschließt diesen Fehler, wenn auch spät zu revidieren, sie zu suchen und ihr anzubieten, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Er will ihr helfen. Und damit endet das Album.


Zum Ende ...

Wenn man nun weiß, was die Texte zu bedeuten haben und wie sie zu interpretieren sind, kommen Songs wie „Remember“, „No Harm“ oder „Succubus“ um einiges intensiver (und auch düsterer) rüber. So haben die Jungs aus und um Saarbrücken mit Tales From Serpentia wieder einmal ein anspruchsvolles, sehr musikalisches Album auf den Markt gebracht, dass Eure Aufmerksamkeit verdient hat, wie ich im Review schon angemerkt habe. Das hat mittlerweile anscheinend auch die Musikindustrie gemerkt und die Jungs stehen in Verhandlungen mit diversen Firmen über Endorsement-Deals (Gitarrist Rainer konnte z.B. einen Deal mit Engl an Land ziehen). Das ist natürlich ein gutes Zeichen für die Band. Die Kritiken für Tales From Serpentia sind wieder allerorts sehr positiv ausgefallen und wenn es jetzt auch noch auf dem Livesektor mit einer anständigen Tour (Vorbereitungen laufen bereits, checkt hierzu auch unsere News!) klappen würde, sollte es doch möglich sein, den Bekanntheitsgrad der Band zu erweitern. Bleibt mir noch zu sagen, dass TOMORROW’S EVE eine bodenständige, sympathische Band sind, die von daher hervorragend als Thema zu SQUEALER-ROCKS passt und wir sind froh, Euch die Band etwas näher bringen zu können.

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