Squealer-Rocks.de CD-Review
KISS - Sonic Boom

Genre: Hardrock / Rock'n'Roll
Review vom: 09.10.2009
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: Bereits veröffentlicht
Label: Roadrunner Records



Ausgerechnet Kiss legen mit ihrer neuen Veröffentlichung ein „value for money“ - Paket auf den Ladentisch, von dem sich jede andere Band dieser Größenordnung gerne inspirieren lassen darf:
Neben dem brandneuen Album gibt noch die Bonus CD „Kiss Klassics“, auf der die aktuelle Besetzung 15 Gassenhauer neu eingespielt hat und die bisher nur in Japan erhältlich war, sowie die DVD „Live in Buenos Aires“, die 6 Tracks enthält. Das Ganze ist dazu noch in einem hochwertigen Klappcover verpackt, kostet um die 15 Euro und somit dürfte all denen, die nicht müde werden den Maskenmännern ständig Geldschneiderei vorzuwerfen, wohl erstmal für eine Weile das Maul gestopft sein. Zumal die Truppe durch diese Zugaben kein einziges Exemplar mehr verkaufen dürfte, schließlich stellt man sich als Fan das Ding so oder so in den Schrank, ob mit oder ohne DVD...

OK – genug für die Ehre unserer Helden gekämpft, widmen wir uns nun dem „Sonic Boom“:
Das die Herren Simmons und Stanley den neusten Output im Vorfeld als „...den besten seit 30 Jahren...“ bezeichnet haben, können wir locker in den Bereich der Promotion - Märchen packen. Mit einer anderen Ankündigung jedoch haben die beiden Könige der Selbstinszenierung wahrhaftig nicht übertrieben: Das neue Scheibchen ist tatsächlich ein Schritt zurück in die 70er und das Material eine Mixtur aus „Rock'n'Roll Over“ und „Love Gun“.
Rein stilistisch und produktionstechnisch gesehen, versteht sich.
Wer ernsthaft geglaubt hat, man könne auch heute noch Klopper wie „I Stole your Love“ oder „I Want You“ erwarten, der hat ein schweres Problem mit der Realität.
Doch mit der richtigen Erwartungshaltung im Kopf entpuppt sich „Sonic Boom“ nach einer kurzen Aufwärmphase als richtig starke Scheibe, die man Kiss nicht mehr zugetraut hätte.

Irgendwas muss auf der letzten Tournee passiert sein, denn anders ist der Spaß und der Teamgeist, den man hier zu jeder Sekunde heraushört, nicht zu erklären. Es scheint wohl wirklich so, dass Paul und Gene mit Tommy Thayer und Eric Singer in der Band ihren dritten Frühling erleben.
Nicht umsonst erwähnt man bei jeder Gelegenheit, dass alle Songs nur von Kiss selbst eingespielt wurden (Insider wissen Bescheid...) und die Tatsache, dass Paul Stanley das Album selbst (analog) produziert hat, spricht ebenfalls Bände. Vor 10 Jahren noch hätte der Gute dafür „keine Zeit“ gehabt.

Am auffälligsten jedoch ist die Rückkehr von Gene Simmons als Aktivposten. Es gab schließlich viele Jahre, in denen Paul Stanley den Songwriter Bereich bei Kiss quasi im Alleingang gestemmt hat. Doch 2009 ist die Langzunge wieder da!
Beim obercoolen „Yes, I know (Nobody's Perfect)“ denkt man unweigerlich daran, wie der alte Schwerenöter 1976 auf dem Damenklo zum Rendez – Vous gebeten hat.
Das fette und schleppende „I' m an Animal“ ist zwar nicht unbedingt eine kompositorische Großtat, besitzt aber eine enorm dichte Atmosphäre und gehört nicht nur wegen seines „She“ - ähnlichen Soloparts zu den Highlights.
Auch beim „Russian Roulette“ gibt der sympathischste aller Großkotze eine gute Figur ab. Locker und relaxt doziert der Womanizer über das Seelenleben der weiblichen Bevölkerung und versieht seine Vorlesung mit ein paar netten „aah...aah.“ - Chören.
Da verzeihen wir auch gerne, dass „Hot and Cold“ nur Durchschnittsware ist.

Keine Frage, die kreative Kraft bleibt dennoch Paul Stanley, und rechnet man den Job des Produzenten mal mit ein, wird schnell klar, wie viel Zeit und Arbeit der Mann in dieses Album investiert hat. Umso erstaunlicher, wie wenig „Sonic Boom“ nach einem Alleingang seinerseits klingt, wie es beispielsweise auf „Asylum“ oder „Crazy Nights“ der Fall war.
Es gibt keine einzige Ballade und auch einen Radio - Hit a la „Lick it Up“ sucht man vergebens.
Lediglich der Rausschmeißer „Say Yeah“ klingt wie ein Überbleibsel von Pauls letztem Solo - Ausflug „Live to Win“.
Ansonsten regiert der pure und harte Rock, beim Opener „Modern Day Delilah“ eingerahmt in ein Riff, das wie ein Bastard aus „Almost Human“ und „Watchin' You“ klingt. Tolle, leicht sperrige und ungewöhnliche Nummer
„Never Enough“ und „Danger Us“ rocken schön ruppig und höchst melodiös, zwei absolute Live - Kandidaten, die allerdings nicht unbedingt zu Paulemanns Sternstunden gehören

Wie man Hymnen schreibt, dass weiß er aber immer noch:
„Stand“ ist ein Simmons / Stanley - Duett vom Allerfeinsten, hier werden Tränen fließen! Eine groovende Nummer mit einem fast epischen Chorus. Fantastischer Track!
Arena - Song Numero Zwo haben Gene und Paul gemeinsam geschrieben und am Mikro singt sich durchaus überzeugend Eric Singer durch „All for the Glory“, der ironischerweise ein bisschen wie eine Mischung aus Eric Carr und Peter Criss klingt. Eine Mitsing - Nummer, wie nur Kiss es können.
Sein Gesangsdebut gibt auch Tommy Thayer, der das saustarke „When Lightning Strikes“ mit Mr. Stanley zusammen verfasst hat.
Leute, haltet euch fest: Tommy singt fast genauso wie Ace Frehley, der Song könnte ebenfalls vom Spaceman stammen und sein Gitarrenspiel klingt eh - und zwar auf dem gesamten Album! - bis in die kleinsten Details nach dem seines Vorgängers.

Bleibt als Fazit also, dass Kiss der Schritt zurück in die eigene Vergangenheit nicht nur musikalisch überzeugend, sondern vor allem glaubwürdig gelungen ist.
Sie spielen geschickt mit Hinweisen an alte Zeiten („Love for Sale“ - Gedächtnis Chöre bei „Nobody's Perfect“), erliegen aber nicht der Versuchung, sich selbst zu kopieren.
Das man keineswegs das Niveau der Klassiker erreicht, liegt auf der Hand. Umso bemerkenswerter, dass „Sonic Boom“ Langeisen wie „Crazy Nights“, „Psycho Circus“ oder „Animalize“ locker auf die Plätze verweist.

In die Diskussion um die neu eingespielten Songs auf „Kiss Klassics“ möchte ich eigentlich nicht einsteigen und sage deshalb nur: Magie kann man nicht wiederholen.
Die Bonus DVD ist übrigens auch Klasse.

Tracklist:
01. Modern Day Delilah
02. Russian Roulette
03. Never Enough
04. Yes I Know (Nobody's Perfect)
05. Stand
06. Hot And Cold
07. All For The Glory
08. Danger Us
09. I'm An Animal
10. When Lightning Strikes
11. Say Yeah

Kiss Klassics Bonus Disc:
01. Deuce
02. Detroit Rock City
03. Shout It Out Loud
04. Hotter Than Hell
05. Calling Dr. Love
06. Love Gun
07. I Was Made For Lovin' You
08. Heaven's On Fire
09. Lick It Up
10. I Love It Loud
11. Forever
12. Christine Sixteen
13. Do You Love Me
14. Black Diamond
15. Rock And Roll All Nite

Bonus Live DVD:
01. Deuce
02. Hotter Than Hell
03. C'mon And Love Me
04. Watchin' You
05. 100,000 Years
06. Rock And Roll All Nite

DISCOGRAPHY:

1974 - Kiss
1974 - Hotter than Hell
1975 - Dressed to Kill
1975 - Alive!
1976 - Destroyer
1976 - Rock’n’Roll Over
1977 - Love Gun
1977 - Alive 2
1978 - Double Platinum
1979 - Dynasty
1980 - Unmasked
1981 - (Music from) The Elder
1982 - Killers
1982 - Creatures of the Night
1983 - Lick it Up
1984 - Animalize
1985 - Asylum
1987 - Crazy Nights
1988 - Smashes, Thrashes and Hits
1989 - Hot in the Shade
1992 - Revenge
1993 - Alive 3
1994 - Kiss my Ass
1996 - MTV Unplugged
1996 - You wanted the best, you got it
1996 - Greatest Kiss
1997 - Carnival of Souls
1998 - Psycho Circus
2002 - The very best of Kiss
2003 - Kiss Symphony (Alive 4)
2009 - Sonic Boom

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