Squealer-Rocks.de CD-Review
Ihsahn - After

Genre: Progressive Extreme Metal
Review vom: 14.01.2010
Redakteur: Reaper
Veröffentlichung: 22.01.2010
Label: Candlelight Records



Der Winter ist von jeher die Zeit, in der Frohnaturen sich mit Depressionen in den Keller verkriechen und das Parkett all jenen gehört, deren Grundstimmung finster ist wie die langen Nächte der kalten Jahreszeit. Wahrlich für Freunde der schwermütigen, progressiv angehauchten Klänge verspricht der launische Gevatter noch einige Überraschungen, die freudig die Hände erzittern lassen. Macht euch bereit für einen Trip, der euch dorthin führt, von wo nur wenige zurückkehren.

Vegard Sverre Tveitan alias Ihsahn muss man den bewanderten Metalkundigen nicht mehr weiter vorstellen und so können wir uns blind hineinstürzen in die Kompositionen des nun mehr dritten Albums seiner Solokariere nach dem Ende von Imperor.
Und wie bereits oben erwähnt, sind dies gar finstere, verschlungene Pfade, die den Hörer in die Unterwelt, zwischen Mythen und Heroen gefangen, entführen.

Schreie wie von gequälten Seelen schallen durch „The Barren Lands“, welche von vielschichtigen und teils unrhythmischen Arrangements der einzelnen Instrumente begleitet werden. Dabei brechen insbesondere die Drums mit dem Rhythmus, von stakkato Riffing aufgebaut, das schließlich in ausufernden, progressiven Gitarrensoli aufgeht, um im nächsten Moment von einer einprägsamen Melodie und ebensolchem Refrain abgelöst zu werden.
Vielleicht ahnt man bereits in dieser progressiven und doch eingängigen Eröffnungsnummer, wohin die Reise noch führen wird, jedoch wider Erwarten stürzt man mit „A Grave Inversed“ in ein teuflisches Flipperspiel, das blackthrashig schreddernd beginnt und von wilden, abgefahrenen und durch den Verzerrer gejagten Gitarrenläufen vorangepeitscht wird. Plötzlich erhebt sich inmitten dieses Infernos der jazzig schiefe Klang eines Saxophons und führt den Hörer hin zu verborgenen Melodien im blackmetallisch avantgardistischen Höllenschlund.
Diesem nach folgt mit dem Titeltrack ein schwermütiges Stück, dessen Beginn von folklor angehauchten Klängen und zartem Klargesang bestimmt wird, und welches letztlich über eine psychedelische Bridge hinab sinkt, gleichsam der Gesang zum Growling wechselt. Fast fühlt man sich wie Orpheus, der hinab in den Hades, das Totenreich, stieg, um seine geliebte Eurydike zurück zu holen.

Das nachfolgende „Frozen Lakes On Mars“ startet deathmetallisch, fast an In Flames erinnernd, und ist durchzogen von Gitarresoli, die sich an den Melodien aus Nahost orientieren. Endlich versinkt es dann in gothic anmutendem klaren Gesang und einem prägnanten Refrain, der Assoziationen zu Pink Floyds „Shine On You Crazy Diamond“ weckt.
Wahrhaftig gelangt man zu dem gar epischen „Undercurrent“. Gezupfte Gitarren und träumerischer Gesang malen das Bildnis einer eisigen, klaren Winternacht, in der die Sterne vom pechschwarzen Firmament scheinen, vor die geschlossenen und doch wachen Augen. Im Winde, den man über eine weite Schneefläche streichen zu vernehmen vermeint , schwingt erneut schaurig schön der Klang des Saxophons. Doch bald schon hört man, wie ein Sturm aufkommt, vermeint Schiffe zu sehen, die hinaus aufs Meer fahren und wohl nie wieder zurück kehren werden. Im tobenden Sturm erklingt dann ein Saxophonsolo, das von stampfendem Schlagzeug und hämmerndem stakkato Riffing getrieben in ein schleppendes Gitarrensolo mündet.
Ein großartiges Stück progressiv geschmiedeten Metals hat Ihsahn hier geschaffen, das sich in mehrere Akte teilt und gleich einer Oper in Metal gegossen erscheint.

Jedes Lied avanciert auf seine ganz eigene Weise zu einer fantastischen Reise und so wundert es nicht, dass „Austere“ mit seiner sphärischen Bridge, die auf ein wiederum jazziges Zwischenspiel folgt, an das legendäre letzte Album der deutschen Progressisten Nocte Obducta „Sequenzen Einer Wanderung“ denken lässt, gleichsam schreitet das Stück von epischen Melodien getragen voran und man verliert sich in den tiefgründigen Hörwelten von „After“. Aus diesen erhebt man sich schließlich von metallischen Hymnen getragen der „Heavens Black Sea“ entgegen und reckt die Hand geballt zur Faust gen Himmel. Klassischer, von stampfendem Schlagzeug getriebener Death Metal trifft hier auf allerlei moderne Variationen und selbst die Frickelsoli im Mittelpart stören den straighten Anschein wenig.
Erschöpft wie ein Held auf seiner sagenumwobenen Reise segelt man schlussendlich den Küsten des paradiesischen Elysiums entgegen und blickt „On The Shores“ noch einmal auf all jenes zurück, das dieses Werk von nahezu homerscher Größe auszeichnete. Doomig schleppt sich diese finale Nummer untermalt vom allgegenwärtigen Saxophon dahin, wie eine Chimäre aus Dark Metal und Jazz.

Fazit: Wo “angL” auf befremdliche und wenig eingängige Art progressiver Klangkultur huldigte, tritt auf seinem Nachfolger “After” ein mitreißendes, nahöstliches und jazziges Element, das den Hörer unweigerlich in seinen Bann zieht, ohne jedoch seine Black und Death Metal Wurzeln zu verleugnen, sondern dies alles zu einem Faden verspinnt, der auch in Zukunft auf weitere, atemberaubende Werke von Ihsahn hoffen lässt.


Tracklist:
1. The Barren Lands
2. A Grave Inversed
3. AFTER
4. Frozen Lakes On Mars
5. Undercurrent
6. Austere
7. Heavens Black Sea
8. On The Shores

Anspieltipps: The Barren Lands, Frozen Lakes On Mars, Undercurrent, On The Shores

Line-Up:
Vegard Sverre „Ihsahn“ Tveitan – Gitarre, Gesang, Keyboards
Lars K. Norberg – Bass
Asgeir Mickelson – Schlagzeug

DISCOGRAPHY:

2006 - The Adversary
2008 - angL
2010 - After
2012 - Eremita


SQUEALER-ROCKS Links:

Ihsahn - angL (CD-Review)
Ihsahn - After (CD-Review)
Ihsahn - Eremita (CD-Review)

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