Squealer-Rocks.de CD-Review
The Ocean - Precambrian

Genre: Dark Progressive Art Metal
Review vom: 30.12.2007
Redakteur: Jack
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label: Metal Blade



Es mag innerhalb eines Jahres unzählige CDs geben, die einen im Verlauf der ersten Durchläufe mit einem riesigen Fragezeichen im Gesicht zurücklassen. War dies beim letzten, urwüchsigen Werk, AEOLIAN, der Berliner „Großfamilie“ The Ocean noch der Fall, so ist man beim neusten Machtwerk des Komponistengenies Robin Staps bereits nach wenigen Minuten der Auffassung, dass man als Rezensent diese Scheibe schlicht und ergreifend nicht mit Worten umfassend beschreiben kann. Ohne Spaß: Wie soll man denn bitte die unnachahmlich vertonte Evolutionsgeschichte in einer CD-Kritik abhandeln, außer mit Formulierungen wie „unbegreiflich“ oder „nicht von dieser Welt“, mit denen sich der Schreiber dieser Zeilen selbst denunziert und vor dem PRECAMBRIAN (der geologische Ausdruck für das erste Kapitel der Evolution der Erde) betitelten und auf zwei CDs verteilten Schaffen in die Knie geht?

Die ersten beiden Teile (HADEAN und ARCHEAN), die auf dem ersten, mir für dieses Review nicht vorliegenden, Rundling zu finden sind, thematisieren inhaltlich die Entstehung des Klimas auf unserem Planeten und schallen dementsprechend roh und für The Ocean Verhältnisse „simpel“ aus den auf Dolby Surround getrimmten Boxen. Der Übergang zum, mir viele Nächte raubenden, Vorgängerwerk scheint in diesen circa 22 Minuten nahtlos vonstatten zu gehen. Für den Nicht-Eingeweihten, an dem bisweilen auch Bands wie Cult Of Luna, Neurosis oder Isis spurlos vorbeigegangen sind, bedeutetet dies: Fiese und qualvolle Shoutings, orkanartige Gitarrenläufe und abstruse Taktwechsel, so dass nicht nur die Nackenmuskulatur, sondern auch sämtliche Gehirnwindungen angesprochen werden.

Doch The Ocean und ihre Gastmusikerschar haben anno 2007 noch einiges in ihrem Köcher – und an diesem Punkt ist jeder, aber wirklich jeder selbsternannte Fachmann mit seinem großen Metal-Latinum am Ende angelangt. Das in sich noch einmal durch drei geteilte und sich mit dem Entstehen von Leben auseinandersetzende Kernstück des Albums, PROTEROZOIC, als Meisterwerk zu bezeichnen, wäre in Anbetracht dessen, was in den vergangenen Monaten so alles diesen Titel verliehen bekommen hat, eine maßlose Frechheit bzw. eine aussagelose Randnotiz. Dieser Vielfalt an Klangmustern, unterschiedlichen Instrumentierungen (u.a. durch ein Saxofon, Orchestrierungen, Violinen oder ein, die Aufmerksamkeit auf sich ziehendes, Glockenspiel) und den i-Tüpfelchen setzenden Gesangsvariationen von bitter-böse zu zärtlich-schüchtern kann man sich als Freund von einzigartiger Musik nicht entziehen. Die Berliner begehen mit PRECAMBRIAN bislang vollkommen unbegehbare Wege, die auch in Zukunft für alle anderen unbegehbar bleiben werden. Noch nie war der Übergang von der Brutalität zur Schönheit und umgekehrt so fließend…

Dass solch ein Werk nicht funktionieren kann, wenn man aus stoischer Redakteursgewohnheit die einzelnen Bestandteile filtriert und sie so aus dem dichten, eigentlich unzerstörbaren Gesamtkontext herausreißt, dürfte jedem mit einem Verweis auf die vom bedeutungsvollen Proto-Surrealisten Lautréamont beeinflussten Inhalte klar sein. Diese gottgleich umgesetzte Evolution muss man in ihrer Gesamtheit aufsaugen!


Auch wenn ich nur schweren Herzen das letzte Wort abgebe. In diesem speziellen Fall gibt es keine bessere Botschaft, als diejenige, die euch der Songwriting-Gott Robin mit auf den Weg geben will:

„Bitte versucht, Euch mit dem gesamten Album auseinanderzusetzen – das Artwork, die Texte und die Musik sind eins miteinander und jeder Song entfaltet seine gesamte Bedeutung erst im Zusammenhang mit den anderen Songs sowie dem Artwork des Albums. PRECAMBRIAN ist unsere Einstellung gegen die durch MySpace hervorgerufene Unbeständigkeit und Vergänglichkeit, gegen die postmoderne Auffassung von Musik als nicht physische Datei, gegen die bloße Empfindung von Musik, wie viel Platz sie auf einer Festplatte einnehmen kann. Es ist ein Album für Leute, die immer noch daran glauben, dass eine Platte mehr sein kann und mehr sein sollte als nur die Summe der enthaltenen Songs.“

Tracklist:
CD 1: Hadean/Archean
I. Hadean
1. Hadean
II. Archean
2. Eoarchean
3. Paleoachean
4. Mesoarchean
5. Neoarchean

CD 2: Proterozoic
III. Palaeoproterozoic
1. Siderian
2. Rhyacian
3. Orosirian
4. Statherian
IV. Mesoporoterozoic
5. Calymmian
6. Ectasian
7. Stenian
V. Neoproterozonic
8. Tonian
9. Cryogenian

Band Line-Up:
THE OCEAN COLLECTIVE
Schlagzeug, Percussion - Torge Ließmann
Gitarre - Matt Beels, Robin Staps, Walid Farruque
Bass - Mike Pilat, Hannes Huefken, Jonathan Heine
Cello - Stefan Heinemeyer
Viola - Karina Suslov
Violine - Christoph von der Nahmer
Piano - Katharina Sellheim
Saxofon - John Gürtler
Glockenspiel - Daniel Eichholz
Tamburine - Jonas Olsson
Samples - Robin Staps, Tomas Svensson
Gesang - Mike Pilat, Nico Webers, Rene Nocon, Robin Staps, Nate Newton, Dwid Hellion, Jan Oberg, Caleb Scofield, Eric Kalsbeek, Jason Emry, Meta
Live-Percussion: Gerd Kornmann
Live-Visualisierung: Nils Lindenhayn

DISCOGRAPHY:

2002 – Same
2003 – Fogdiver
2004 – FluXion
2005 – Aeolian
2007 - Precembrian

SQUEALER-ROCKS Links:

The Ocean - Aeolian (CD-Review)
The Ocean - Precambrian (CD-Review)

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