Squealer-Rocks.de CD-Review
Beardfish - Destined Solitaire

Genre: Progressive Rock / Retro Prog
Review vom: 28.07.2009
Redakteur: TheMattes
Veröffentlichung: 24.07.2009
Label: InsideOut



Und da isse ja! Die nächste CD der Retroprog-Helden BEARDFISH aus Schweden, die mir letztes Jahr so viel Spaß gemacht haben. Da habe ich mich doch wie Bolle gefreut, als mir die neue CD „Destined Solitaire“ ins Haus geflattert ist, denn der Vorgänger war echt der Hammer, und ich wiederhole mich gerne, eine Offenbarung in Progrock. Wie es diesmal ausgegangen ist, könnt ihr jetzt hier lesen, aber ich schicke vorweg, dass ihr alle ganz stark sein müsst, ob des Ergebnisses dieser meiner Hörversuche.

„Awaken The Sleeping“ ist einer der beiden Quickies auf „Destined Solitaire“ (die ganz kurzen Interludien zählen nicht so richtig, finde ich). Leicht, hell, mit krachenden Breaks und spinettähnlichen Tönen musiziert es bis zum rockigeren Mittelteil. Es dominiert das Keyboard und alles in allem ist dies ein typischer BEARDFISH-Song, der sich zum Schluss in sphärische Höhen erhebt. Hätte so auch auf „Slepping In Traffic Part Two“ erscheinen können. Nicht schlecht!
Der Titelsong nun ist geradezu klassisch jazz-rockig mit vielen Breaks und schönem Leadgitarren-Einsatz. Zwischendurch wird auch ein bisschen gegrowled(!), ährlich!
Als Drittes gibt’s mit „Until You Comply / Entropy“ den längsten Song auf „Destined Solitaire“. Was mich hier besonders nervt, ist dieser doch größtenteils einfach luschige, jazz-artige Gesang, der auch mehrstimmig daherkommt. Im Zwischenteil wird’s grooviger und härter, aber auch langsamer, melodischer. Gerade dieser Teil gefällt mir dann doch, aber er ist sehr schnell wieder zu Ende. Wir hören was im 3/4 –Takt und mit diversen Breaks geht der Song langsam zu Ende.
„In Real Life There Is No Algebra“ ist allein des Titels wegen cool, aber kurz und groovy. Sehr schön, denn der Rhythmus ist durchgehend und wird nicht durch überflüssige Breaks gestört. Euch schwant sicher schon, worauf das hier in diesem Review im Endeffekt hinausläuft, oder?
Weiter geht’s jedenfalls mit Nummero Fünneff, und hier wird’s meiner Meinung nach schon zu jazzig. Wenn das noch als Prog-(und vor allem)rock durchgeht, dann aber „Gute Nacht, Marie“. Dann brauch ich das nämlich nicht! Hauptdarsteller hier sind das Keyboard und Rikard Sjöblom, der Sänger. Abwechslungsreich ist der Song, wie alle anderen, eben selbstmurmelnd auch, und bei dem großartig-rockigen Break kam schon Hoffnung auf, dass mir „Where The Rain Comes“ besser als seine Vorgänger gefallen sollte. Aber Pustekuchen!
Richtig überraschend wird es aber bei „At Home... Watching Movies“, denn es dominieren coolerweise spanische Flamenco-Rhythmen. Er ist leider zu kurz, und die Soundcollage am Ende ist mir auch ein Rätsel! Chance verpasst, BEARDFISH!
In Bezug auf die Songlänge nähern wir uns wieder der 10-Minuten-Grenze und in „Coup De Grâce“ dominieren Harmonica/Akkordeon und Keyboardklänge mit flottem Rhythmus die Szenerie, diesmal ein wenig länger als üblich (fast zweieinhalb Minuten), wäre ja auch zu schön gewesen, und eine ruhige Leadgitarre und spärische Klänge bilden den Übergang zum schon fast doomig langsamen, aber kurzen, Rockpart. Aber Sekunden später klöppelts wieder (Allmächtiger!) jazzig mit Akkordeonspielereien (oder einem ähnlichen Instrument).
Ich mach’s mal kurz: „Abigail’s Questions ...“ und „The Stuff...“ machen in derselben Art und Weise weiter, so dass ich mir eine weitere Beschreibung an dieser Stelle erspare.
Dafür habe ich einiges zum Gesamteindruck von „Destined Solitaire“ zu sagen, was wohl nicht allen gefallen wird, aber ich schreibe keine Reviews, um mir Freunde zu machen, sondern aus Spaß an der Freude. Deshalb ist „Destined Soliaire“ für mich, ehrlich gesagt, eine Enttäuschung.

Das Vorgängeralbum „Sleeping In Traffic: Part Two“ ist für mich immer noch(!) ein Geniestreich, während es bei „Destined Solitaire“ vor allem durch die vielen, vielen Breaks nicht zum Aufbau einer Atmosphäre kommen kann. Die einzelnen Teile der Songs, die durch die Breaks eingeleitet werden sollen, können sich nicht entwickeln (vielleicht sollen sie es auch gar nicht!?) und die aufkommende Atmospäre, die Stimmung, die sich zu entfalten beginnt, wird im Keim erstickt! Mir scheint, dass hier „das Break an sich“ zu einer neuen Kunstform erhoben werden soll. Durch seine Häufung führt es sich aber selbst ad absurdum. Die Songs werden in zu viele kleine Schnipsel zerschnitten und können keine eigene Identität annehmen, wodurch der Wiedererkennungswert langsam, aber sicher, gegen Null zu tendieren beginnt. Dass es auch anders geht, hat BEARDFISH mit „Sleeping In Traffic“ letztes Jahr selbst vorgemacht oder, wer’s älter will, der Klassiker von GROBSCHNITT heißt „Solar Music“, besonders wertvoll in der Version von 1978 aus Warburg, mit einer Länge von 66 Minuten!
Und dann diese Jazzrhythmen bzw. Taktarten, die mich auf die Dauer einfach verrückt machen. Der Rhythmus ist ja definiert als eine Dauertonfolge, erzeugt von einem Takt, der dem Rhythmus eine Betonungsstruktur verleiht, oder so ähnlich. In unserem Fall kommt es in den meisten Fällen überhaupt zu keinem befriedigenden Groove und einem Einprägen der Betonungsstruktur wegen der brutalen Breaks an entscheidenden Stellen.
So können keine Spannung und kein Tempo innerhalb der Musikstücke erzeugt werden und werden es auch nicht. Der Gesang von Rikard Sjöblom passt sich zudem an und gefällt mir deswegen auch nicht besonders.

Was ich mich auch frage, ist, wo denn diese Vermischung der unterschiedlichen Genres stattfindet, wie z. B. Prog, Independet Rock, Jazzrock, Klassik, Hip-Hop, Metal. Mir ist da wohl was entgangen.

„Einzigartiger Sound“ stimmt aber! Es mag auch sein, dass diese Form der Musik nur aus dieser über lange Jahre gewachsenen Freundschaft zwischen den Musik erwachsen konnte, aber für mich ist diese Scheibe einfach mehr Jazz als Rock. Von mir aus ist es auch Progrock, aber dann am äußersten Ende der Rockskala. Die wirklich oft nur sekundenlangen Ausflüge in Rock oder Metal sind eigentlich kaum der Rede wert.
Der in allen Songs wegen der massenhaft vorkommenden Breaks festzustellende kompositorische Wahnsinn macht die Platte für mich fast unhörbar, und leider muss ich feststellen, dass „Destined Solitaire“ genau die Art von Musik darstellt, bei der ich im WDR- oder NDR-TV-Nachtprogramm immer mit der Geschwindigkeit eines geölten Blitzes umschalte.

Interessant wird die Sache aber noch durch eine ganz andere Tatsache, nämlich das BEARDFISH von DREAM THEATER eingeladen wurden, den nordamerikanischen Teil der „Progressive Nation 2009“-Tour als Support zu spielen. Wenn das mal gut geht! Denn wer glaubt, dass DT komplizierte Songs schreiben, der sollte mal BEARDFISH und „Destined Solitaire“ hören.

Sorry!
Excusez-moi!
`Tschuldigung!


Track list:
1. Awaken The Sleeping 6:00
2. Destined Solitaire 10:52
3. Until You Comply / Entropy 15:21
4. In Real Life There Is No Algebra 4:32
5. Where The Rain Comes In 8:28
6. At Home… Watching Movies 1:52
7. Coup De Grâce 9:48
8. Abigail’s Questions (in an infinite universe) 9:12
9. The Stuff That Dreams Are Made Of 10:39

Line-up:
Rikard Sjöblom – vocals, keyboards
Robert Hansen – bass
Magnus Östgren – drums
David Zackrisson – guitars

DISCOGRAPHY:

2003 - Från En Plats Du Ej Kan Se
2006 - The Sane Day
2007 - Sleeping In Traffic: Part One 2008 - Sleeping In Traffic: Part Two 2009 - Destined Solitaire

SQUEALER-ROCKS Links:

Beardfish - Sleeping in Traffic: Part One (CD-Review)
Beardfish - Sleeping In Traffic: Part Two (CD-Review)
Beardfish - Destined Solitaire (CD-Review)

SONSTIGES:

BANDHOMEPAGE
Diesen Beitrag im Forum diskutieren