Squealer-Rocks.de CD-Review
Scorpions - Original Album Classics (3 CD Box)

Genre: Hardrock
Review vom: 30.01.2010
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: 29.01.2010
Label: Sony Music / RCA



„Irgendwann sind sie nicht mehr da! Und dann?“
Dieses Zitat stammt von keinem berühmten Poeten (obwohl...), es ist aus einer Diskussion entnommen, die ich in bierseliger Runde mit ein paar Kumpels geführt habe. Wir debattierten unter dem Einfluss diverser Pils - Biere darüber, was die ganzen alten Bands für unsere Szene bedeuten.
KISS, Judas Priest, AC/DC, Iron Maiden, Deep Purple, Status Quo, ZZ Top und - nicht zuletzt – die Scorpions.
Bei mir sind es mittlerweile 30 Jahre, in denen all diese Bands zu meinem Leben gehören, zu einem sehr wichtigen Teil davon geworden sind. Was wäre wenn, ja, was wäre, wenn die nicht mehr da wären? Das geht doch gar nicht!

Tja, leider geht es doch. Als Fan verdrängt man viel, denkt, es geht immer so weiter. Doch nicht nur wir werden älter und nicht nur uns tun die Knochen nach jeder Party doppelt so weh wie noch vor 20 Jahren. Unsere Idole aus den alten Tagen leiden ebenso an dem, was ein unsteter Lebenswandel so mit sich bringt. Irgendwann hören sie auf – wir wussten, dass dieser Tag kommen wird.
Die Ersten, die es tun, sind die Scorpions.
Noch eine Platte, noch eine Tour, dann ist Schluss!
Wer will es ihnen verübeln? Was haben sie uns für geile Momente, für geile Shows geschenkt?

Sicher, es gab eine Phase in der Karriere der Niedersachsen, da waren sie die wohl meistgehasste Band in der hart rockenden Szene. Nach dem eher durchwachsenen „Pure Instinct“ Album im Jahre1996 folgte 1999 der absolute Niedergang: „Eye to Eye“.
Statt Gitarren waren Techno – Klänge zu hören und im Laufe der nächsten Jahre entwickelten sich die Hardrocker von einst zu einer handzahmen Hausfrauen – Kapelle, bei deren Gigs man kaum noch Kuttenträger, dafür aber den damaligen Kanzler Schröder begrüßen durfte. EKLIG!
Sie hatten uns verraten!

Demzufolge wurde das absolut fantastische „Unbreakable“ (2004) von den alten Anhängern kaum wahrgenommen. Man hatte die Truppe schlicht „abgehakt“, an eine Rückkehr zu früheren Tugenden wollte niemand mehr glauben. Doch genau das war „Unbreakable“, eine quasi Neuauflage von Klasse – Alben wie „Savage Amusement“. Um der Hartwurst - Gemeinde zu beweisen, dass man wieder dazu gehört, legte man beim „Wacken Open Air 2006“ einen megageilen Überlängen - Gig hin und brachte mit Spielfreude, sowie einer exzellenten Setlist jeden Zweifler zum Schweigen. Die bisher letzte Scheibe „Humanity Hour 1“ aus 2007 klang zwar weniger Retro als der Vorgänger, war aber immer noch ein sattes Stück Heavy Rock.
Beim - leider schlecht besuchten – Konzert in der Essener Grugahalle im vergangenen November zogen die Herren dann noch einmal alle Register: Weit über 2 Stunden Spielzeit, haufenweise altes Zeug aus den 70ern und frühen 80ern, sowie eine überdimensionale Pyro – und Lichtshow.
Der Abschied wird also zu einem Fest, wie man annehmen darf.

Das hätten wir ja dann geklärt, kommen wir also nun zum eigentlichen Grund unseres netten Beisammenseins: Die „Original Album Classics“ Reihe von Sony Music ist ja fast schon so etwas wie eine eigene Rubrik bei uns geworden. Für kleines Geld gibt es diesmal drei Klassiker in einer Papp – Box, jeder Silberling in einem Schuber mit dem Original Cover.

Den Anfang macht „In Trance“ von 1975, der dritte Output der Scorps und der zweite mit Uli Jon Roth an der Lead – Guitar (beim Debut „Lonesome Crow“ war Rudolf Schenkers Bruder Michael zu hören, der dann zu UFO ging).
„In Trance“ klingt in seiner Ausrichtung etwas unentschlossen. Hier stand die Band quasi am Scheideweg. Die von Uli Jon Roth (damals noch: Ulrich Roth) komponierten Songs schwebten - vom harten Opener „Dark Lady“ mal abgesehen – meist in reichlich verschrobenen Sphären. Tracks wie „Sun in my Hand“ oder „Evening Winds“ klangen stark nach Hendrix und waren der ausufernde Gegenpol zu den direkten Nummern, die Rudolf Schenker und Klaus Meine geschrieben haben.
Der geniale Titelsong, das fetzige, aber etwas unbeholfene „Top of the Bill“, der Stakkato „Robot Man“ oder die typische Halbballade „Living and Dying“, alles Nummern, die zum Markenzeichen werden sollten.
„In Trance“ ist sicherlich nicht das beste Album der Scorpions, aber ein unerhört wichtiges.

Der Nachfolger „Virgin Killer“ (1976) gehört zusammen mit „Lovedrive“ und „Blackout“ zu den drei besten Platten der Scorpions.
Die geradlinigen Stücke der Schenker / Meine Kooperation haben nichts von ihrer Eingängigkeit verloren, allerdings ist man inzwischen härter als fast alles andere, was es zu dieser Zeit gab.
Smasher wie „Pictured Life“, das geniale „Catch Your Train“ oder das an Nazareth angelehnte „Backstage Queen“ waren anno '76 echt METAL!
Die typischen Balladen waren aber schon damals ein Thema, auch wenn „In Your Park“ heutzutage etwas unausgegoren klingt.
Die Sachen von Uli Jon Roth klangen wesentlich rockiger - und auch gefälliger - als noch ein Jahr zuvor.
Der Titelsong ist eine aggressive, speedige Abfahrt und das saucoole „Hell – Cat“ besitzt zwar noch Space – Rock Einflüsse, geht aber wesentlich leichter ins Ohr als frühere Werke des Gitarreros.
Lediglich beim freakigen „Polar Nights“ werden sogar Parallelen zu Frank Zappa deutlich.

In seiner Gesamtheit etwas schwächer als „Virgin Killer“ besitzt „Taken by Force“ jedoch die größeren Hits. Die reine Hardrock Attitüde hat nun die Oberhand gewonnen. Es ist hier schon offensichtlich, dass der Einfluss von Roth immer geringer wird (beim nächsten Studio Album „Lovedrive“ wird er durch Matthias Jabs ersetzt).
Seine Komposition „The Sails of Charon“ ist dennoch einer der besten Songs der Platte. Das bluesig / funkige „Your Light“ und das simple „I've got to be Free“ gehören dagegen nicht zu den Großtaten des Meisters.
Das Duo Schenker / Meine dagegen läuft zur Hochform auf: „Steamrock Fever“ ist eine Hymne vor dem Herrn und das ultra - brutale „He's A Woman - She's A Man“ war '77 mindestens doppelt so hart, wie es Judas Priest zu dieser Zeit waren.
Beim komplexen „We'll Burn the Sky“ wird zum ersten Mal der später legendäre Anfang von „Still Loving You“ verbraten, und „The Riot Of Our Time“ gehört nicht nur aufgrund seines genialen Solos in die „Bibel der besten Kompositionen“.

Alle drei Alben sind Pflichtprogramm für jeden, der auch nur einen Funken Rock'n'Roll im Blut hat. Bleibt jetzt nur noch zu hoffen, dass die Herren bei ihrer Abschiedsgala auch reichlich Material aus dieser Zeit spielen.


Tracklist:
In Trance (1975)
1. Dark Lady
2. In Trance
3. Life's Like A River
4. Top Of The Bill
5. Living And Dying
6. Robot Man
7. Evening Wind
8. Sun In My Hand
9. Longing For Fire
10. Night Lights

Virgin Killer (1976)
1. Pictured Life
2. Catch Your Train
3. In Your Park
4. Backstage Queen
5. Virgin Killer
6. Hell Cat
7. Crying Days
8. Polar Nights
9. Yellow Raven

Taken By Force (1977)
1. Steamrock Fever
2. We'll Burn The Sky
3. I've Got To Be Free
4. The Riot Of Your Time
5. The Sails Of Charon
6. Your Light
7. He's A Woman - She's A Man
8. Born To Touch Your Feelings

Line Up:
Klaus Meine – Vocals
Rudolf Schenker - -Rhythm Guitar
Uli Jon Roth – Lead Guitar
Francis Buchholz – Bass
Rudy Lenners – Drums
Herman Rarebell - Drums (on „Taken By Force)

DISCOGRAPHY:

1972 – Lonesome Crow
1974 – Fly To The Rainbow
1975 - In Trance
1976 – Virgin Killer
1977 – Taken By Force
1978 - Tokyo Tapes
1979 – Lovedrive
1980 – Animal Magnetism
1982 – Blackout
1984 – Love At First Sting
1985 - World Wide Live
1988 – Savage Amusement
1990 – Crazy World
1993 – Face The Heat
1996 – Pure Instinct
1999 – Eye To Eye
2000 – Moment Of Glory
2001 – Acoustica
2004 – Unbreakable
2007 – Humanity - Hour I
2010 - Sting in the Tail

SQUEALER-ROCKS Links:

Scorpions - Acoustica (CD-Review)
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